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Turners Thesen: Religion ist Bildung

Von George Turner, Wissenschaftssenator a. D.

Lothar de Maizière hat in einem Interview im Tagesspiegel (3. August) im Hinblick auf ein Vorkommnis in der DDR erklärt: „Die Schüler standen vor allen Bildern (der Alten Meister) wie der Ochse vorm neuen Tor. Sie kannten weder die griechische noch die christliche Mythologie.“ So wird es bald immer mehr Schülern und später Erwachsenen auch in Berlin gehen.

Die Wunderwaffe Ethik kann das Defizit nicht ausgleichen, das durch das Abwählen des Fachs Religion entsteht. Mit Ethik ist ein viel zu hoch angesiedelter Begriff gewählt, der offenbar den Eindruck vermitteln soll, hier werde das vermittelt, was Werthaltungen, Tugenden und Gewissen bestimmt und beeinflusst. Dabei wird bestenfalls das ausgeglichen, wofür Elternhaus, häusliche Umgebung oder Umfeld zuständig sind: soziales Verhalten, einschließlich Rücksicht auf andere und minimale Regeln von Anstand und Sitte. Zweifel sind angebracht, ob überhaupt dies geleistet werden kann, wenn eingestanden wird, dass die Lehrkräfte dafür nicht ausgebildet seien. Noch weniger Zutrauen besteht, dass den Schülern nahe gebracht wird, was einen Teil der abendländischen Kultur ausmacht und Bestandteil des Fachs Religion ist.

Das werde doch heutzutage in anderen Fächern wie Deutsch und Kunstgeschichte angeboten. Und woher kommen die Klagen von Professoren eben der Kunstgeschichte, dass selbst Studierende dieses Faches bei biblischen Darstellungen den Eindruck machen, den de Maizière in seinem Vergleich aus der Tierwelt herangezogen hat?

Die abendländische Kultur ist nun einmal ohne die christlichen Grundlagen nicht denkbar. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob und welchem Glauben man anhängt. Staatliche Schulen sollten den Auftrag wahrnehmen, die Grundlagen dieser Kultur zu vermitteln, und zwar als Wissenselemente. Im Grunde müsste die Forderung nicht lauten: Religion o d e r Ethik, sondern Religion u n d Ethik. Religion gehört zum Bildungskanon und nicht in die Abstellkammer. Eltern, die nicht möchten, dass es ihren Kindern so geht wie de Maizière es beschreibt, werden darauf dringen, dass Religion nicht abgewählt wird. Auch so kommen dann Unterschiede in der Bildung und ein Vorsprung bestimmter Bevölkerungskreise zustande, den die amtierende Regierung in Berlin doch gern vermeiden möchte.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schreiben: g.turner@tagesspiegel.de.

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