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Update

GEW-Streik in Berlin: Verdi-Chef: Senator Nußbaum muss auf die Lehrer zugehen

Etwa 3000 Demonstranten waren am Mittwochmittag dem Aufruf der GEW zum Warnstreik gefolgt. Der soll auch Donnerstag weitergehen. Und der Streik der angestellten Lehrer könnte sich ausweiten.

Rund 3000 Lehrer pfeifen und trillern, trommeln und klappern, um die Berliner Verwaltung auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Die streikenden Angestellten, einige Schüler und solidarische Beamte sind vor die Finanzverwaltung in der Klosterstraße gezogen. Dort sprachen Vorstandsmitglieder der Berliner Gewerkschaft für Erziehung und Wissen (GEW). "Der Lehrer-Beruf darf nicht krank machen", fordert zum Beispiel Doreen Siebernik. Anschließend betritt Verdi-Chef Frank Bsirske die Bühne. Er stellt sich hinter die Forderungen der GEW: "Der Streik ist zutiefst berechtigt", sagt er. In Richtung Finanzsenator Ulrich Nußbaum, der in der Klosterstraße sein Büro hat, sagte er, der Arbeitgeber dürfe nicht länger so tun, als sei die tarifliche Eingruppierung allein seine Angelegenheit. Nußbaum verweigert sich bisher Gesprächen mit den Lehrern mit der Begründung, dass das Land Berlin nicht selbst mit den Gewerkschaften verhandeln könne, weil dafür die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) zuständig sei. Sonst riskiere Berlin den TdL-Ausschluss. Dem hat allerdings das Arbeitsgericht widersprochen. Auch Bsirske sagt: "Der Finanzsenator ist ganz klar zuständig."

Bsirskes Ansicht nach wird es auch nicht beim Warnstreik bleiben. "Mit zwei, drei Warnstreiks ist es wohl nicht getan", sagt er und spricht sich für eine Ausweitung des Streiks auf andere Bundesländer aus. Wenn die Warnschüsse nichts bringen, gehe die GEW auf Konfrontationskurs.

Mehr als 1000 Teilnehmer hatten sich zum Warnstreik auf dem Dorothea-Schlegel-Platz an der Friedrichstraße versammelt. Von den Schulen aus, wo sie am Morgen Infozettel verteilt und Plakate aufgehängt haben, sind sie zu um 9.30 Uhr zur Auftaktversammlung gezogen. Von dort auch zogen sie weiter mit bunten Luftballons, Pfeifen und Fahnen. Dem Demonstrationszug haben sich immer mehr Lehrer angeschlossen. Es sind vor allem junge Lehrer gekommen, zwischen 25 und Ende 30, viele kommen frisch aus dem Referendariat. Es sind die angestellten Lehrer, die auf ihren Bannern fordern: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Sie haben Trommeln dabei und schlagen mit Löffeln auf Kochtöpfe, um aufmerksam zu machen auf ihren Protest. "Billig, belastbar, Berliner Angestellte", liest man auf anderen Transparenten. Auch Schüler sind unter den Demonstrierenden, manche Lehrer haben ihre Klasse einfach mitgebracht. Die Demo-Unterstützung wird als Bildungsausflug deklariert, die Schüler sollen sehen, wie solch ein Streik funktioniert.

Streikmüde wirkt hier niemand

Die streikenden Lehrer sind zu weiteren Aktionen entschlossen, auch wenn sich die Warnstreiks schon über Monate ziehen. Im Nachbarschaftshaus in der Urbanstraße in Kreuzberg haben sich gegen 8 Uhr etwa 50 Lehrer von umliegenden Schulen versammelt. Die Stimmung ist gut, es gibt Kaffee und Brötchen, streikmüde wirkt hier niemand. Was sie ärgert, ist die Arroganz der Berliner Bildungsverwaltung, noch nicht einmal mit den Lehrern zu reden.

Um 9.01 Uhr haben sich vier Lehrerinnen der Reineke-Fuchs-Grundschule aus Reinickendorf mit dem S25 auf zur Friedrichstraße gemacht. Ab 8 Uhr hatten sie gemeinsam vor der Tür ihrer Schule demonstriert. "Die Eltern haben lässig reagiert", sagt Christine Lindner. "Da die Kinder bereut werden, ist der Unterrichtsausfall erstmal sekundär." Warum sie streikt erklärt die 44-Jährige Sportlehrerin so: "Ich hasse es, um Geld zu feilschen, aber wenn man das Gefühl hat, über Jahre veräppelt zu werden, muss man was tun."

Schon am Dienstag hatten sich Lehrer versammelt. Am Mittwoch treffen sie sich zur Auftaktkundgebung an der Friedrichstraße.

© Vincent Schlenner

Ab 7.30 Uhr hatten die angestellten Lehrer vor den Schulen Stellung bezogen. Sie haben ihre Plakate aufgestellt, Fahnen ausgerollt und Streikwesten übergezogen. Schon am Dienstagabend wurden die Vertretungspläne für die Schulen im Internet veröffentlicht. Es wird viel Unterricht ausfallen, so viel ist sicher.

Vor der Peter-Ustinov-Schule in Charlottenburg stehen um 7.40 Uhr sechs angestellte Lehrer und verteilen Infoblätter. "Hier an der Schule herrscht wirklich eine gute Stimmung", sagt die streikende Lehrerin Zeynep Arikan. "Die Schüler, die in der ersten Stunde frei haben, helfen beim Verteilen der Infoblätter." Um 9.30 Uhr wollen dann alle gemeinsam zur Kundgebung.

Gleiche Arbeit soll gleich bezahlt werden

In Neukölln an der Karlsgarten Grundschule nutzen die streikenden Angestellten die Zeit für ein freundliches Elterngespräch. Sie verteilen Handzettel auf Deutsch und Türkisch, erklären ihre Forderungen und weisen nebenbei auf den nächsten Elternabend hin. Insgesamt haben sich zehn Lehrer vor dem Schulgebäude versammelt, alle angestellten Lehrer der Schule beteiligen sich am Streik.

Am OSZ-Lotis in Schöneberg hat die gesamte Lehrerschaft einen Aktionstag ausgerufen. Insgesamt unterrichten am OSZ 150 Lehrer, die Beamten haben sich mit den 30 Angestellten solidarisiert. Im Schulhof haben Lehrer und Schüler Aufstellwände installiert, der gesamte Unterricht wurde nach draußen verlagert. Lehrer erklären Themen wie Tarifrecht, Arbeitszeitreglungen und Rechtliches rund um den Streik. Auch eine kleine Bühne wurde aufgebaut, nacheinander steigen immer wieder Lehrer auf das Podest und erklären, warum sie streiken. Die Schule ist komplett leer, um 11 Uhr wollen die Lehrer zusammen mit allen Schülern zur Kundgebung fahren - als Exkursion. Die Schüler am OSZ haben Verständnis für die Forderungen der Lehrer und finden den Streik gut. Sie stehen in kleinen Grüppchen im Schulhof und nicken zustimmend: Gleiche Arbeit soll gleich bezahlt werden.

"Es regt die Leute auf", sagt Jörg Zimmermann. Er ist selbst Beamter und GEW-Mitglied. Was er meint, ist die Arbeitszeitverlängerung. "Die Arbeitskonten wurden abgeschafft, zwei zusätzliche Präsenztage eingeführt und all das wurde auch noch als Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs verkauft."

Donnerstag treffen sich die Streikenden um 10 Uhr vor der Berliner CDU-Zentrale in der Kleiststraße nahe U-Bahnhof Wittenbergplatz. Die CDU-Bildungspolitikerin Hildegard Bentele bekräftigte am Dienstag ihre Forderung nach einer Rückkehr zur Verbeamtung der Berliner Lehrer. Von der CDU aus geht es zur SPD-Bundesgeschäftsstelle in der Wilhelmstraße. Gegen 11.30 Uhr ist dort eine Rede der GEW-Bundesvorsitzenden Marlies Tepe geplant. Der bündnisgrüne Bildungspolitiker Özcan Mutlu forderte den Senat auf, „die Sorgen und Nöte der angestellten Lehrer endlich ernst zu nehmen“. Beide Seiten müsste zügig Verhandlungen beginnen.

Der Unterrichtsausfall ist schon jetzt nicht unerheblich. Falls die von der GEW erhofften rund 3000 Lehrer streiken, die im Schnitt fünf Stunden unterrichten, fallen an den beiden aktuellen Streiktagen jeweils rund 15000 Stunden aus. Im Mai hatten zuletzt während einer Streikwoche täglich 500 bis 2000 Lehrer gestreikt.

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