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Im roten Wedding. Die Landeszentrale der SPD in der Müllerstraße.

© Kitty Kleist-Heinrich

Entscheidung über Wowereit-Nachfolge: SPD in Berlin: Alt wie ein Baum

Die SPD in Berlin sucht einen Nachfolger für Klaus Wowereit. Doch wer ist das eigentlich, der da miteinscheidet? Zumindest statistisch gesehen ist die SPD über 50 und männlich.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Was sind das für Leute, die über den nächsten Regierenden Bürgermeister abstimmen? Nach jüngster Zählung dürfen 17 220 Berliner SPD-Mitglieder an der parteiinternen Briefwahl teilnehmen. Zwei Drittel sind Männer. Der Altersdurchschnitt liegt bei 51 Jahren. Stark überaltert sind vor allem die SPD-Kreisverbände im Westen der Stadt. Allen voran Reinickendorf mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren.

Dagegen profitieren die Verbände in den City-Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Mitte von den neuen, jungen Mitgliedern. Dort spielt in der Hauptstadt-SPD inzwischen die Musik. Ein Drittel der Mitgliedschaft ist in diesen Kreisverbänden organisiert. Im letzten Jahrzehnt stieg die Zahl der Mitglieder dort um über 20 Prozent, während die traditionellen Hochburgen Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg im SPD-Landesverband langsam, aber sicher an Substanz verlieren.

Man kann es auch so ausdrücken: Der Berliner SPD sterben die Mitglieder weg. Vergreisende Parteigliederungen, die es nicht schaffen, in absehbarer Zeit aktiven Nachwuchs zu rekrutieren, haben keine Zukunft. Wie sich diese Verschiebung der innerparteilichen Gewichte auf die politische Linie des SPD-Landesverbands auswirkt, ist aber nicht einfach zu sagen. Denn die Vermutung, je jünger, je linker, stimmt für die Sozialdemokraten längst nicht mehr.

Natürlich gibt es noch die klassisch stramm-linken Jungsozialisten. Aber viele jüngere Mitglieder, die zur Berliner SPD stoßen, sind eher pragmatisch und aufstiegsorientiert. Gewiss auch sozial und demokratisch, aber ganz anders als jene Genossen, die den hohen Altersdurchschnitt in der Partei repräsentieren. Also die silberlockigen Alt-Achtundsechziger, libertär und gewerkschaftlich orientiert, mit einem Hauch von Klassenbewusstsein umweht. Und jene eher konservativ getrimmten Sozialdemokraten, noch geprägt durch Nachkriegszeit, Spaltung, Mauerbau und Ernst Reuter.

Eine bunte Mischung, die es schwierig macht, die Chancen der drei Bewerber um die Wowereit-Nachfolge einzuschätzen: Stadtentwicklungssenator Michael Müller (49 Jahre), SPD-Landeschef Jan Stöß (39) oder SPD-Fraktionschef Raed Saleh (37). Denn 90 Prozent der Mitglieder zahlen zwar brav ihre Beiträge, sie sind aber nicht aktiv und nehmen nicht einmal an den Sommerfesten teil. Also – was wollen die unbekannten und in Ehren ergrauten Sozialdemokraten? Den puren Machterhalt? Besonnenes und aus der Erfahrung schöpfendes Regierungshandeln? Mehr Profil? Die Rückkehr zu den sozialdemokratischen Wurzeln?

Man weiß es nicht. Aber wir werden es bald wissen. Spätestens am 8. November, nach Auszählung der innerparteilichen Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten. Am Dienstag findet übrigens im Willy-Brandt-Haus das erste SPD-Mitgliederforum statt, auf dem sich Müller, Stöß und Saleh präsentieren. Aller Erfahrung nach werden die jüngeren und aktiven Genossen dort in der Mehrheit sein.

Der Tagesspiegel veröffentlicht drei Essays der Kandidaten. Unter dem Titel „Ignoranz ist nicht cool“ ging Raed Saleh als erster an den Start.

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