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Die Angst ist immer dabei. Die Opfer der Sexualstraftäter müssen damit rechnen, dass sie plötzlich ihren Peinigern gegenüberstehen.

© dpa

Streit um zwangsweise freigelassene Männer in Berlin: Sexualstraftäter dürfen Kontakt zu Opfer aufnehmen

Das Kammergericht hat Sexualstraftäter unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Die Vorgabe, Kontakt zu den Opfern zu meiden, existiert aber nicht.

Einfach raus aus Berlin, einfach mal wegfahren, egal wohin, das geht nicht. Ohne Zustimmung des jeweiligen Bewährungshelfers läuft nichts. Das ist eine der Vorgaben für die Männer. Für jene beiden Sexualstraftäter, die in Sicherungsverwahrung saßen, die aber vom Kammergericht zwangsweise auf freien Fuß gesetzt wurden – weil eine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts geschlampt hatte. Aus formalen Gründen mussten die Männer freigelassen werden.

Jetzt prüft die gleiche Kammer erneut mit neuem Vorsitzendem, ob die Männer in Sicherungsverwahrung genommen werden müssen. Bis dahin „stehen sie unter Führungsaufsicht“, sagt Gerichtssprecher Tobias Kaehne. Im Klartext: Sie haben Bewährungshelfer, die als zentrale Ansprechstation fungieren. Bei ihnen müssen sich die Männer zweimal pro Monat melden, ihnen müssen sie auch einen Wechsel des Arbeitsplatzes melden. Sofern sie überhaupt einen haben. Wenn nicht, müssen sie sich arbeitslos melden. Und natürlich müssen sie sich beim Landeskriminalamt (LKA) melden, einmal pro Monat. Ob die Männer während der Zeit, in der sie auf freiem Fuß sind, überwacht werden, ist nicht bekannt. Eine entsprechende Anfrage ließ die Polizei unbeantwortet.

Die Antwort wäre allerdings auch für die Opfer interessant, immerhin besteht ja die Möglichkeit, dass sie ihren früheren Peinigern plötzlich gegenüberstehen. Doch Kaehne sagt: „Mir sind Vorgaben, die das Opfer betreffen, nicht bekannt.“ Das heißt: Die Männer haben keine Anweisung, sich ihren Opfern nicht zu nähern.

Allerdings ist nach Ansicht des zuständigen Gerichts solch eine Vorgabe auch gar nicht nötig. „So etwas macht man nur, wenn man konkrete Befürchtungen hat“, sagt Kaehne. „Aber die hat die Kammer offensichtlich nicht gesehen.“ Das lässt den Schluss zu, dass die Opfer nicht aus dem näheren Umfeld der Täter kommen. „Wenn ein Opfer nicht in Berlin wohnt, ist es ja schon durch seinen Wohnort geschützt“, sagt Kaehne. Die Täter dürfen die Metropole ja nicht verlassen. „Bei einem Zufallsopfer liegt die Wahrscheinlichkeit einer Wiederbegegnung nahe null.“

Natürlich könnten die Männer auch Berlin verlassen, warum auch immer. „Rein physisch kann man das erst mal nicht verhindern“, sagt Kaehne. Damit verstießen sie aber gegen die Auflagen, mit entsprechenden Konsequenzen.

Eine weitere Auflage für die Männer: Psychologische Gespräche, die sie in der Haft hatten, müssen sie fortsetzen. Einer der beiden trägt zudem eine Fußfessel.

Möglich ist nun Folgendes: Entweder ergeht der Beschluss, die Sicherungsverwahrung sei nicht mehr nötig, dann sind die beiden freie Menschen. Oder die Kammer ordnet Sicherungsverwahrung an, dann müssen sie wieder hinter Gitter. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, kann Kaehne nicht sagen. Er hält einen Termin im Herbst für realistisch. Der könne sich aber auch verzögern.

Neue Gutachter wird es nicht geben, die bisherigen werden weiterhin ihre Einschätzung abgeben. „Sie haben ja nach Ansicht des Kammergerichts keinen Fehler gemacht“, sagt Kaehne. „Deshalb gibt es keinen Grund für einen personellen Wechsel.“ Zudem mache eine Kontinuität auch inhaltlich Sinn. „Der Gutachter kennt ja seinen Klienten, er kann am besten einschätzen, ob und wenn ja wie er sich geändert hat“, sagt Kaehne.

Dass jene Kammer, welche die Formfehler zu verantworten hat, wieder urteilt, ist nach Aussage von Kaehne nichts Ungewöhnliches. „Es ist im Gesetz nicht zwingend vorgesehen, dass eine andere Kammer urteilt.“ Verantwortlich für die Fehler war nach Einschätzung des Kammergerichts der Vorsitzende Richter.

Es gibt keine konkrete Frist, innerhalb der ein Beschluss kommen muss. „So schnell wie möglich, so gründlich wie nötig“, sagt Kaehne. Allerdings darf die Zeit zwischen zwei Gutachterprognosen zum gleichen Klienten nicht mehr als zwölf Monate betragen. Sollte alles normal laufen, dann hat zumindest das Kammergericht mit dem Fall nichts mehr zu tun. „Das Ergebnis“, sagt Kaehne, „erfahren die Richter dann aus der Presse.“

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