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Braucht Berlin eine Verwaltungsreform? Und wenn ja, was für eine?

© Annette Riedl/dpa

Was bringt eine Berliner Verwaltungsreform?: „Selbstständigere Bezirke setzen den Weg des Chaos fort“

Die Debatte um eine Reform der Verwaltung geht weiter: Ist eine Politisierung der Bezirksämter die richtige Wahl? Ein Gastbeitrag.

Wolfgang Penkert ist Senatsdirigent a. D. und war Leiter der Abteilung Jugend und Familie unter dem ehemaligen Bildungssenator Jürgen Zöllner, er war auch Drogenbeauftragter des Senats. Bernd Sonnewald ist Senatsrat a. D., er hat sowohl in der Innen- als auch in der Bildungsverwaltung gearbeitet.

Das im Tagesspiegel kürzlich veröffentlichte Papier „Für eine starke Stadt mit starken Bezirken“ wirbt für die angebliche Absicht der Verfasser, in Berlin eine Verwaltungsreform durchzusetzen, die das Zuständigkeitswirrwarr in Berliner Verwaltungen beseitigen soll.

Die Autoren, ein Staatssekretär der Senatskanzlei, eine Bezirksbürgermeisterin und ein Bezirksbürgermeister, klären selbst darüber auf, dass es ihnen im Kern darum gehe, eine Verfassungsdebatte anzustoßen. Die Zielsetzung von Frank Nägele (SPD), Monika Herrmann (Grüne) und Sören Benn (Linke) liegt in der Abschaffung der Einheitsgemeinde Berlin und der Entwicklung der Bezirke zu selbstständigen Gebietskörperschaften im Land Berlin.

Sie fordern, als gleichrangige zweite Regierungsebene anerkannt zu werden. Sie wollen „ihre Angelegenheiten“ unbeeinflusst von der Vormundschaft des Landes selbst regeln. Hinderlich dabei ist noch die geltende Rechts- und Verfassungslage, wonach Berlin ein Land und eine Stadt zugleich ist (Art. 1 VvB).

Die Autoren versuchen den Eindruck zu erwecken, dass Berlin seit der 1920 erfolgten Eingliederung selbstständiger Städte und Gemeinden unter einem bis heute anhaltenden Konstruktionsfehler leidet, weil die Verwaltung der Stadt nie zu einem klaren Rollenkonzept gefunden hätte und deshalb ihre Aufgaben als einheitliche und alleinige Gebietskörperschaft nicht erfüllen konnte.

Für sie ist Berlin ein seit eh und je von den Bezirken geprägter Stadtstaat, der sich jetzt auch der Verfassungswirklichkeit stellen und anerkennen muss, dass sich in Berlin zwei gleichrangige „Regierungsebenen“ entwickelt hätten. Allerdings gibt es nach der geltenden Berliner Verfassung nur eine Regierung und die übt der Senat aus. Die Bezirke hingegen sind keine selbstständigen Gebietskörperschaften. Folglich handeln ihre Verwaltungseinheiten nicht eigenverantwortlich, sondern immer auch im Namen Berlins.

Die Autoren zielen deshalb auf eine Verfassungsänderung, die die Struktur der politischen Landschaft grundlegend verändern soll: „Beide Regierungsebenen sind in einer funktionierenden Stadt damit gleichrangig. Dies ist zum einen eine Frage des Umgangs und der Selbstverortung. Zum anderen ist es eine Frage der Struktur, weil sich daraus Macht ableitet – und strukturelle Macht Augenhöhe erzwingen kann.“

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Unklar und widersprüchlich

Als möglicher Weg zur strukturellen Macht der Bezirke wird eine Berliner Ratsverfassung vorgeschlagen. Ohne zu erläutern, wie diese die „einmalige Berliner Zweistufigkeit sortiert“. Allerdings sehen Ratsverfassungen keinen zweistufigen Verwaltungsaufbau vor.

Solche Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten ziehen sich durch das gesamte Papier. So wird an einer Stelle, „die umfassende Verankerung der Fachaufsicht“ gefordert – die an anderer Stelle von den Autoren als ein „klar hierarchisierendes Instrument“ gesehen wird, welches die geforderte „Augenhöhe“ tendenziell verhindert.

An dritter Stelle soll sie durch Umdeutung ihres Inhalts „finales Klärungsinstrument“ sein, wenn außergewöhnliche Anlässe außergewöhnliches Handeln erzwingen. Doch Fachaufsicht ist immer die Kontrolle der Recht- und Zweckmäßigkeit einer nachgeordneten Verwaltungseinheit und kein Instrument, das unzureichend verhandelte Zielvereinbarungen heilen kann.

[Die Reaktion von drei CDU-Politikern auf das Papier „Für eine starke Stadt mit starken Bezirken“ können Sie hier lesen.]

Wichtiger aber ist die Vision vom Wettbewerb der zwölf Bezirke bei der Umsetzung guter Ideen. In Verbindung mit der Hoffnung, durch „Novellierung der Finanzordnung werden die Bezirke aber mit Blick auf die Umsetzung stärker und politisch unabhängiger“, muss man sich um die Einheitsgemeinde Berlin große Sorgen machen.

Auf dieser Linie liegt dann auch die Forderung nach einem Vetorecht für den Rat der Bürgermeister, der wegen der gewünschten „strukturellen Augenhöhe“ Instrumente benötigt, „die Verhandlungen und Ausgleich erzwingen“.

Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist auch, dass der Gedanke der Einheitsgemeinde Berlin, in der staatliche und gemeindliche Aufgaben nicht getrennt sind, bei Mit-Autor Nägele, dem Vertreter der Landesregierung, keinen Fürsprecher mehr findet. Er stellt darüber hinaus den Senatsverwaltungen noch das Armutszeugnis aus, dass sie zur Steuerung der Verwaltungsprozesse des Landes nicht in der Lage sind, weil sie nicht über „ausreichend qualifiziertes Personal an der erforderlichen Stelle“ verfügen. Damit hat er dem Machtanspruch von Herrmann und Benn nachgegeben.

Alternativen vom Tisch gewischt

Erstaunlich ist ferner, wie erfolgreiche Alternativen, die transparente und effiziente stadtstaatliche Verwaltungsstrukturen versprechen, ziemlich rigoros mit dem Hinweis vom Tisch gewischt werden, dass hier die „Gemeinsamkeiten der Stadtstaaten“ enden, weil sie – wie in Bremen und Hamburg – „tendenziell zentral strukturiert sind“. Auch weil solche Alternativen die zunehmende Politisierung der Bezirksverwaltungen, wie sie in Berlin stattfindet, stören würden.

[Was IHK-Präsidentin Beatrice Kamm von einer Verwaltungsreform hält, erfahren Sie hier.]

Der Hinweis, dass durch die zentrale Struktur Hamburgs die notwendige Bürgernähe nicht garantiert werden könne, ist durch Fakten nicht gedeckt. Am Beispiel der Verwaltungsstruktur Hamburgs würde sich etwa Bürgernähe vielfältig nachweisen lassen. Immerhin ist es dort gelungen, arbeitnehmer- und familienfreundliche Öffnungszeiten in ihren Kundenzentren, die mit unseren Bürgerämtern vergleichbar sind, durchzusetzen und Wartezeiten der Bürgerinnen und Bürger deutlich zu verringern. Klare und differenzierte Strukturen wie in Hamburg helfen Bürgernähe herzustellen und behindern sie nicht.

Bei der Lektüre des Beitrags stellt sich leider der Verdacht ein, dass es seinen Autoren weniger um effizientes Verwalten und Bürgernähe geht als um die Politisierung der Bezirksverwaltung mit dem politischen Bezirksamt an der Spitze. Wohl nicht zufällig sind hier die Forderungen am konkretesten:

  • Durchgriffsrecht des Bezirksbürgermeisters
  • Finanzen, Personal und Organisation regelmäßig im Geschäftsbereich des Bezirksbürgermeisters
  • Mehrheitswahl der Stadträte (politisches Bezirksamt)
  • Wahlzeit der Stadträte auf sechs Jahre
  • Berlinweite Angleichung der Zuständigkeiten der Stadträte

Die Stellung des Bezirksbürgermeisters gegenüber den Stadträten zu stärken, scheint genauso überlegenswert wie die Angleichung der Ressorts. Die Wahlzeit von sechs Jahren muss allerdings mit einem Qualifikationsnachweis und öffentlicher Stellenausschreibung verbunden werden. Nur Parteimitgliedschaft wie derzeit reicht nicht. Es stecken also da, wo es konkreter wird, wo es um die Strukturen der Bezirke geht, durchaus sinnvolle Anregungen in dem Papier.

Angesichts der vielen Pannen und Beschwernisse für Wirtschaft und Bevölkerung ist eine Verwaltungsreform dringend notwendig. Die Überlegungen der drei Autoren gehen aber, wo es um das Verhältnis Senat – Bezirke geht, in die falsche Richtung. Die Politisierung der Verwaltung und eine größere Selbstständigkeit der Bezirke sind eine Fortsetzung des Weges, der uns das Chaos in Berlin erst eingebracht hat. Den Mythos, räumliche Nähe erzeuge automatisch Bürgernähe, haben die Bezirke längst selbst widerlegt.

Da aber – wie die Autoren auch feststellen – die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten im Berliner Parlament ihrem Bezirk verpflichtet sind, der ihre Kandidatur sichert, wird man davon ausgehen müssen, dass das Land das Nachsehen haben wird und Änderungen zum Besseren erst einmal nicht zu erwarten sind.

Wolfgang Penkert, Bernd Sonnewald

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