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30.000 Papphocker sind für den Kirchentag als Sitzgelegenheiten vorgesehen, ein Teil davon wird derzeit in der Messehall 25 aufgebaut.

© Soeren Stache/dpa

Evangelischer Kirchentag in Berlin: Was ist los beim Kirchentag?

Runden mit Prominenz, Konzerte, politische Podien, Bibelkreise und dann noch Obamas Besuch: Der Kirchentag soll einer für alle werden.

Von Fatina Keilani

„Halleluja!“ Das kann Ihnen jetzt wieder passieren: Sie sitzen in der U-Bahn, ahnen nichts, und plötzlich füllen fremde, unwirklich heitere Menschen den Waggon und schmettern ein Halleluja oder singen ein Lied. Ein christliches noch dazu, denn es ist wieder Kirchentag, und das an Himmelfahrt, in einer proppevollen Stadt. Es ist nicht menschenmöglich, einen Überblick über das anstehende Wochenende zu geben; alle Versuche müssen scheitern. Wir versuchen es dennoch.

ECKDATEN

500 Jahre Reformation werden begangen, 140.000 Menschen feiern vom 24. bis 28. Mai in Berlin, Potsdam und Wittenberg den 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag. Das Programm kann einen überfordern: Das Heft hat 576 Seiten, es sind 2500 Veranstaltungen geplant. Nach „Soviel du brauchst“ (2013) und „Damit wir klug werden“ (2015) lautet die Losung diesmal „Du siehst mich“. Damit sollen die Teilnehmer ermuntert werden, im Alltag und im Glauben genau hinzusehen, auch jene zu sehen, die oft übersehen werden, und ihren Mitmenschen offen gegenüberzutreten. Jeder darf kommen, natürlich auch Gläubige anderer Religionen.

PREISE

Der Besuch des Kirchentags kostet Geld. Kostenlos sind alle Gottesdienste und alle Veranstaltungen unter freiem Himmel, so auch die größte mit US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (siehe unten). Eine Dauerkarte für fünf Tage Kirchentag kostet 98 Euro (ermäßigt 54 Euro, Familien 158 Euro), Tageskarten 33 Euro (ermäßigt 18 Euro). Bei den einzelnen Veranstaltungen werden keine Karten verkauft, die muss man sich an einem der Kartenverkaufspunkte holen.

DIE APP

Es gibt eine App für das Smartphone, die dem Kirchentagsbesucher, aber auch dem gewöhnlichen Neugierigen das Leben wesentlich erleichtert. Auf ihrer Landkartenfunktion kann man sehen, wo man gerade steht, zwar nicht im Leben, aber doch in der Stadt, und wo die nächsten Veranstaltungsorte sind. Wer einfach mal schauen will, kann ganz leicht sehen, wo in der Nachbarschaft was los ist, und hat keine weiten Wege.

So landet er vielleicht in der Martin-Luther-King-Kirche neben den Gropiuspassagen im Dunkelgottesdienst, beim Gospelkonzert in der Heilandskirche in Moabit oder beim Predigt-Slam in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg. Wer nicht zur Kirche reisen will, zu dem kommt sie ins Viertel. Und über die App findet er sie auch. Einiges hat sich am gedruckten Programm noch geändert – die App ist auf dem neuesten Stand. Und sie zeigt auch die Hotspots an; das freie W-Lan heißt hier „Godspot“.

ORTE

Die Teilnehmer bewegen sich in der gesamten Innenstadt, im Tross mit den Touristen, der zentrale Veranstaltungsort ist aber das Messegelände. Im Programm sind die Orte gekennzeichnet: „Messe Berlin“, „Berlin mittendrin“, „Innerhalb des Rings“, „Weiteres Stadtgebiet“ sowie Potsdam und Wittenberg. Jeder Besucher kann theoretisch auch kurzfristig zu jeder gewünschten Veranstaltung gehen. Die Spontanität wird allerdings dadurch gebremst, dass man eine Eintrittskarte braucht und es keine Abendkasse gibt. Es gibt auf alle Fälle viele Bühnen, auf denen Konzerte stattfinden.

"Mich siehst du" - Werbung für den Evangelischen Kirchentag in Berlin.

© Sophia Kembowski/dpa

NAMEN

Zu verschiedensten Terminen kommen Berühmtheiten sowie zahlreiche Politiker. Großspenderin Melinda Gates (Frau von Microsoft-Chef Bill) spricht über die Bekämpfung der Armut, Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller wird da sein. Re:publica-Gründer Markus Beckedahl spricht über Lüge und Wahrheit in der digitalen Gesellschaft; Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist ebenfalls anwesend. Zum Vortrag des Soziologen Armin Nassehi über „Glaubwürdigkeit in der pluralen Gesellschaft“ kommt auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Über „Humor, Glaube und Heilung“ spricht Eckart von Hirschhausen. Soziologe Harald Welzer redet mit Post-Vorstand Frank Appel über die Arbeitswelt von morgen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Susan Neiman vom Einstein-Forum sprechen über Vernunft und verantwortliches Handeln; es moderiert der Journalist Hans Leyendecker. Der israelische Schriftsteller Amos Oz spricht über Judas und Jesus.

THEMEN

Der Zerfall des Nahen Ostens, der Konflikt zwischen Israel und Palästina, das Verhältnis zum Islam, das zu den Katholiken, die Arbeitswelt von morgen, Not und Elend, Menschenrechte, der Klimawandel, Krieg und Frieden in der Welt – der Kirchentag ist immer auch politisch; auf den Podien sitzen auch diesmal ausgewiesene Experten. Es werden auch Genderfragen verhandelt, Veganismus, Computerspiele wie „World of Warcraft“ oder „Game of Thrones“. Das Zusammenleben mit Flüchtlingen. Das Altwerden. Im Grunde stehen die meisten Aspekte des Lebens hier zur Disposition, mindestens aber Diskussion.

DIE GRÖSSTE VERANSTALTUNG

Am 25. Mai spricht der frühere US-Präsident Barack Obama am Brandenburger Tor. Die Veranstaltung „Engagiert Demokratie gestalten: Zu Hause und in der Welt Verantwortung übernehmen“ ist öffentlich, das bedeutet, sie kostet keinen Eintritt. Der Platz am Brandenburger Tor fasst 80 000 Menschen; um einen Sitzplatz konnte man sich bewerben.

Wer das getan hat, sollte bis 20. Mai Bescheid bekommen haben. Die Veranstaltung beginnt am Donnerstag um 11 Uhr auf der Bühne am Brandenburger Tor. Obama wird an keiner weiteren Veranstaltung teilnehmen und keine Autogramme geben.

KLEINSTE VERANSTALTUNG

Welches Event am kleinsten wird, dazu wagt keiner eine Prognose. Das ist unberechenbar, heißt es aus dem Kirchentagsbüro. Kandidaten für diesen Titel sind vielleicht die unzähligen kleinen Bibelarbeiten, die es jeden Tag gibt.

Insgesamt 30.000 Papphocker wollen Ehrenamtliche in diesem Jahr aufbauen.

© Soeren Stache/dpa

KURIOSES

Die ganze Stadt wird voller Papphocker sein, und wie immer werden diese direkt nach Veranstaltungsende am 27. Mai für einen Euro das Stück verkauft. Wer mehr als 500 nimmt, zahlt nur 50 Cent pro Stück. Von Samstagabend bis Montagmittag läuft der „Papphockerabverkauf“ in der Messehalle 3.1a.

Es gibt an jedem Abend im Palais am Funkturm auf dem Messegelände ein Gespräch über das Flirten. Auch um Sex geht es in mehreren Vorträgen. Und es gibt eine Kinoreihe, in der sogar „Das Leben des Brian“ läuft.

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