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Klaus Wowereit: Aus der SPD kommt Kritik an seinem Verhalten in der Affäre um Senator Braun.

© dapd

Kritik an Regierendem: Wowereits Wurstigkeit

Schweigen, verteidigen, CDU gewähren lassen – wie der Regierende und die Parteispitze in der Affäre Braun agierten, wird in der SPD kritisch gesehen. Man habe "einfach mit am Rand gestanden", statt das Wort zu ergreifen.

Es sind diese Sätze, salopp rausgehauen, die sich einbrennen ins Stadtgedächtnis. „So etwas kann, glaube ich, immer mal vorkommen“, sagte Klaus Wowereit am Freitag – einen Tag, nachdem Berlin im S-Bahn-Chaos stillstand. Zwischen dem Treffen der Ministerpräsidenten der Länder und Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin am Donnerstag und der Bundesratssitzung am Freitag einfach mal so einen Spruch machen. Da erinnern sich die Berliner an Wowereits Worte zum vorjährigen Winterchaos, „Berlin ist nicht Haiti“, und auch in der SPD zucken einige – am Ende einer Woche, die mit dem Rücktritt des Justizsenators Michael Braun begann.

Auch so passiert, und noch ist nicht ausgemacht, welcher Schatten davon zurückbleibt für die rot-schwarze Koalition – und für die SPD. Für manche Sozialdemokraten sind es Tage des Missvergnügens, ist etwa im Roten Rathaus herauszuhören. Während chinesische Geschäftsleute im Wappensaal, der guten Stube des Roten Rathauses, mit hohen Säulen und Mosaikfenstern, vom müde wirkenden Regierenden Bürgermeister empfangen werden, endet nebenan der Abschiedsempfang für die Europabeauftragte und Chefin der Senatskanzlei, Staatssekretärin Monika Helbig (SPD). Bei der geschlossenen Gesellschaft – Staatssekretäre, ehemalige und aktuelle Senatoren sind darunter – wird das Krisenmanagement durchaus kritisch gesehen.

Wie die SPD die Enthüllungen über Brauns Wirken als Notar für dubiose Verkäufer von Schrottimmobilien begleitet hat, sei ein „Trauerspiel“, schimpft eine Funktionärin, die wie die meisten Gesprächspartner ihren Namen nicht lesen will. Sie ist empört über die „Sprachlosigkeit meiner Partei“. Das sei der „denkbar krasseste Fehlstart“ für die rot-schwarze Koalition. Eine Hängepartie über zehn Tage, bei der der Regierende Bürgermeister erst mal eisern schweigt und sich dann klar hinter Braun stellt – bis zu dessen Rücktritt.

Hinzu komme die unendliche Suche nach einem Polizeipräsidenten. Auch hier wird die SPD von den Berlinern in der Verantwortung gesehen. Schließlich hat sich der gerade aus dem Amt geschiedene SPD-Innensenator Ehrhart Körting mit seinem Wunschkandidaten heillos im Berufungsverfahren verheddert – abgesegnet von Wowereit. Manch Sozialdemokrat gibt entschuldigend zu bedenken, dass man noch nicht „richtig aufgestellt“ sei, weil sich die Fraktion mit einem frisch gewählten Vorsitzenden erst finden und sich zugleich das Verhältnis mit dem neuen Partner CDU „einruckeln“ müsse.

Einige Genossen gestehen durchaus ein, dass man mit „Kopfschütteln“ und heimlicher Häme den Schaden für die CDU und die Selbstdemontage des Justizsenators verfolgt hat. Dieser habe schließlich noch vor kurzem von der Oppositionsbank aus die SPD häufig mit moralischem Zeigefinger angegangen. Ja, „Schadenfreude“ habe es da schon gegeben, sagt ein Kreischef.

Die neue Situation nach den gescheiterten Koalitionsgesprächen mit den Grünen und das überraschende Bündnis mit der jahrelang verfemten Union sei noch nicht verarbeitet. Immerhin haben mutmaßlich bis zu vier SPD-Abgeordnete dem Regierenden ihre Stimme verweigert und auf dem Parteitag war jeder fünfte Delegierte gegen den ausgehandelten Koalitionsvertrag. Dieses Gemenge habe dazu beigetragen, dass die SPD zu wenig Reaktion gezeigt und bei der Affäre „einfach mit am Rand gestanden“ habe. So könne es aber nicht gehen. „Wir verantworten die Koalition gemeinsam – deswegen ist es auch ein Problem der SPD“, betont ein Funktionär.

Unangenehm aufgestoßen ist einigen Genossen der Rückhalt für den schon mächtig unter Druck stehenden Justizsenator Braun vor einer Woche im Abgeordnetenhaus, als Wowereit kein „juristisches Fehlverhalten“ sah, das einen Rücktritt erfordere. Immerhin ernenne der Regierende Bürgermeister die Senatoren. Wer die Richtlinienkompetenz habe, „sei auch für die moralischen Maßstäbe und die politische Hygiene verantwortlich“, sagt ein Abgeordneter.

Von anderer Seite heißt es, es sei falsch gewesen, dass Wowereit anfänglich deutlich zu verstehen gegeben habe, die Affäre sei alleiniges Problem der CDU. Vielmehr hätte man dem Koalitionspartner früher Stoppsignale setzen müssen, heißt es. So würde das Problem der Glaubwürdigkeit auch die Sozialdemokraten belasten. Dass der Rücktritt nicht später hätte kommen dürfen, weil „sonst nicht nur das Amt beschädigt worden wäre, sondern insgesamt die Koalition Schaden genommen hätte“, sagte hinterher auch der Regierende.

Wowereit erweckt den Eindruck, er würde sich nicht wirklich interessieren

Mancher verteidigt Wowereits Zurückhaltung, weil dieser der CDU damit keinen Anlass für einen Schulterschluss mit dem Justizsenator gegeben habe. „Ein Rausschmiss Brauns durch Wowereit hätte den sofortigen Bruch der Koalition bedeutet“, ist ein Parlamentarier sicher. Aber konstatiert wird auch, dass Wowereit bei der Behandlung des Skandals eine „gewisse Wurstigkeit“ gezeigt habe, wie manchmal, wenn ihn etwas nicht richtig interessiere. Zu sehr habe Wowereit den Eindruck zugelassen, er interessiere sich nur begrenzt dafür, wie die CDU die ihr zugestandenen Ressorts besetzt.

Deswegen sei es nicht sehr glaubwürdig, nach dem Rücktritt Brauns plötzlich das hohe Lied des Verbraucherschutzes anzustimmen, dem sich Rot-Schwarz verpflichtet sieht. „Die Koalition tritt dafür an, aktiven Verbraucherschutz zu gestalten“, sagte Wowereit hinterher: „Insofern gehört dazu die Glaubwürdigkeit des Zuständigen und des gesamten Senats.“ Das hätten einige Genossen gern früher gehört.

Der Schöneberger Abgeordnete Lars Oberg widerspricht, dass die SPD untätig zugeschaut habe. Die klaren Signale aus der SPD hätten vielmehr dazu beigetragen, dass die CDU handelte. Als Michael Braun sein Amt damit retten wollte, dass er nur die Verantwortung für den Verbraucherschutz abgab, habe Wowereit dem CDU-Landeschef und Innensenator Frank Henkel deutlich gemacht, dass die SPD dies nicht akzeptiere.

Verärgert hat einige Genossen, wie in der Parteiführung auf den Berliner Bundestagsabgeordneten Swen Schulz reagiert wurde. Der hatte als erster Sozialdemokrat die Tätigkeit von Braun als Mitternachts-Notar für Schrottimmobilien als „moralisch unanständig“ kritisiert und wurde intern gerüffelt, er belaste damit das frische Bündnis. Dabei waren etliche Genossen froh über die klaren Worte des Spandauers. „Es kann der SPD doch nicht egal sein, wie der Koalitionspartner handelt“, empört sich ein Funktionär.

Deswegen gerät bei der internen Debatte vor allem der Landesvorsitzende Michel Müller in die Kritik. „Der Vorsitzende ist abgetaucht und nicht existent“, wird die anhaltende Sprachlosigkeit des Parteichefs bewertet – auch wenn diesem zugute gehalten wird, dass er sich gegenwärtig in die neue Aufgabe als Senator für die Mammutbehörde Stadtentwicklung, Verkehr, Umwelt einarbeiten muss. Unmut erzeugt zudem, dass die vorgeschlagene Änderung des Senatorengesetzes, die ein Übergangsgeld an eine Mindestdauer im Senatorenamt koppelt, von den Grünen kam und nicht aus der SPD.

Wowereit habe Brauns Entlassungsgesuch nicht in einen Rücktritt uminterpretieren können, wird der Regierende aus der Fraktion und von Kreisvorsitzenden verteidigt. Er habe mehrfach vergeblich versucht, Braun umzustimmen, damit dieser nicht 50.000 Euro Übergangsgeld erhält, heißt es im Roten Rathaus. Und der Auftritt des Regierenden im Parlament, als er sich vor Braun stellte und keine „juristischen Gründe für einen Rücktritt“ sehen konnte, „war keine starke Rückendeckung“. Andere sehen das anders. „Angesichts des Übergangsgeldes und der Art des Rückzugs bleibt was hängen“, befürchten einzelne Funktionäre. „Das war ein Problem der CDU, aber der schlechte Eindruck trifft die gesamte Koalition.“

Die Sorge kann der Lichtenberger Kreisvorsitzende und Bezirksbürgermeister Andreas Geisel verstehen. Er glaubt aber nicht, dass die SPD Glaubwürdigkeit verloren hat, weil schnell genug reagiert wurde. Wäre der Rücktritt nicht erfolgt, dann hätte die nächste SPD-Vorstandssitzung „ganz klare Worte gefunden“, ist sich Geisel sicher, der selbst Mitglied im Landesvorstand ist. Bei Vertrauten Wowereits im Roten Rathaus ist das Thema schon als erledigt abgehakt. „Die Berliner denken jetzt mehr an Weihnachten.“

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