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Biogas: Den Bürgern stinkt’s

In der Uckermark sind neue Biogasanlagen geplant. Die Einwohner fürchten Verkehrschaos und Monokultur.

Von Sandra Dassler

Wilhelm Koenig stinkt’s mächtig. 2003 ist der Rentner aus Berlin ins uckermärkische Gerswalde gezogen. Als dort vergangenes Jahr zwei Biogasanlagen errichtet wurden, störte ihn das nicht. Schließlich war er durchaus für alternative Energiegewinnung. So nahm Koenig auch den Geruch in Kauf, der den Gasanlagen manchmal entströmte. Zweifel kamen ihm angesichts der Lastkraftwagen, die Hühnermist aus Holland zu den Biogasanlagen transportierten. Das sollte umweltfreundlich sein?

Als König erfuhr, dass in Gerswalde weitere acht Biogasanlagen errichtet werden sollten, wurde er stutzig. Andere Einwohner auch. Auf einer Bürgerversammlung erklärte Gert Hampel, der Sprecher des Fachverbands Biogas Berlin-Brandenburg, den Gerswaldern den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Im Prinzip ist die Idee mit den Biogasanlagen großartig: Restprodukte aus der Landwirtschaft wie Gülle und Mist, aber auch nachwachsende Rohstoffe wie Silage von Mais oder Roggen werden in einem großen Behälter durch Methan bildende Bakterien in Gas umgewandelt. Dieses wird in einem Blockkraftwerk zu Strom und Wärme verbrannt. Der Strom geht ins Netz – und weil die Bundesregierung auf nachwachsende Rohstoffe setzt, ist der Preis dafür mit rund 17, 18 Cent pro Kilowattstunde ziemlich gut. Und die Abnahme des so erzeugten Stroms ist für 20 Jahre garantiert.

Das sollte Anreiz für Landwirte sein, die Kosten für eine Biogasanlage nicht zu scheuen, mit der Wärme ihre Gebäude zu heizen und so einen klimafreundlichen Kreislauf zu schaffen. Doch die lukrativen Preise für den Strom reizten andere Investoren. Sie kamen auf die Idee, riesige Biogasanlagen zu errichten und die Pflanzen dafür in der Umgebung anzubauen. So erwarb die Familie Steinhoff, ursprünglich Möbelunternehmer, Anteile an der Agrargesellschaft in Gerswalde. Diese will nun acht Biogasanlagen errichten.

Rolf Dörrenbächer, der die Steinhoffs berät, kann daran nichts Schlechtes finden. „Wir bauen Mais, Roggen und andere Rohstoffe an, verkaufen den Strom und nutzen die Wärme, um ein großes Gewächshaus zu beheizen, in dem Tomaten und Gurken für den Berliner Markt anbaut werden“, sagt er. Dabei würden in der strukturschwachen Gegend einige Dutzend neue Arbeitsplätze entstehen.

Wilhelm Koenig und andere, die sich inzwischen in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen haben, bezweifeln nicht nur die Entstehung neuer Jobs. Sie meinen auch, dass die in der Umgebung angebauten Rohstoffe nicht ausreichen, um die Biogasanlagen zu beliefern. „Dann müssen die Ausgangsstoffe von weit her angekarrt werden“, sagt Koenig. Und Barbara Bock von der Bürgerinitiative ergänzt, dass die Anlage von Naturschutzgebieten umgeben sei: „Extremer Schwerlastverkehr durch beliebte Wandergebiete wird die Touristen verscheuchen.“ Das befürchtet auch Hotelier Andreas Huber: „Bei dem Lärm kommt keiner mehr.“

Außerdem würde die Konzentration auf Mais und Roggen eine Monokultur befördern, die ein weiteres Austrocknen der Böden – Mais verbraucht sehr viel Wasser und Humus – zur Folge hätte, sagt Gerd Hampel. Und natürlich stiegen schon jetzt die Preise für landwirtschaftliche Flächen und in der Folge auch für Getreide.

Für Wilhelm Koenig ist das die „Pervertierung“ einer ursprünglich guten Idee: „Während Steinhoff die Gewinne einstreicht, zahlt der Steuerzahler drauf. Lebensmittel werden teurer und die Energiekonzerne, die den Strom aus Biogasanlagen teuer bezahlen müssen, legen die Preise auf die Verbraucher um.“ Jörg Engwicht von der Agrargesellschaft Uckerland sieht in dem Vorhaben hingegen die Chance, zwölf Mitarbeitern die Jobs zu sichern – falls der Gemeinderat zustimmt. Gerade endete die Frist für Einwendungen gegen die Biogasanlage. Bürgermeister Oliver Nowatzki hat versprochen, alle gewissenhaft zu prüfen. 

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