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Bombodrom: Hochstimmung statt Tiefflüge

Bei den Bombodrom-Anrainern herrscht nach dem Erfolg im Prozess gegen die Pläne der Luftwaffe Optimismus.

Potsdam/Wittstock - Nach dem Gerichtsentscheid gegen eine militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes „Bombodrom“ bei Wittstock werden in der Region viele Pläne geschmiedet. Zwischen Neuruppin, Rheinsberg, der Müritz und bis nach Neustrelitz war gestern vom Bau oder der Erweiterung von Ferienhaussiedlungen, Hotels, Pensionen, Häfen, Boots- und Radverleihen oder Hofläden die Rede. Kaum jemand glaubt, dass die Bundeswehr gegen das Urteil des Potsdamer Verwaltungsgerichtes in Berufung gehen wird. Das gericht bewertete die Lärmbelastungen durch die von der Luftwaffe geplanten Tiefflugübungen und Bombenabwürfe als zu groß.

„Einheimische und auswärtige Investoren haben auf dieses Signal gewartet“, sagte der Bürgermeister von Lärz an der Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Hartmut Lehmann (CDU). „Jetzt können wir mit unseren Vorhaben endlich in die Offensive gehen.“ Der Ort Lärz, über den die Tornados bis zu einer Tiefe von 150 Metern hinwegdonnern sollten, wolle auf einem ehemals russischen Flugplatz ein „Fliegerdorf“ mit Häusern für Eigentümer von leisen Kleinflugzeugen und eine kleine Marina bauen. Auch die Radwege werden erweitert.

Befriedigung über das Urteil äußert auch der Bürgermeister von Rheinsberg, Manfred Richter (SPD): „Im September öffnet mit dem Hotel im neuen Hafendorf ein weiterer touristischer Leuchtturm“, meinte er. „Die Betreiber haben sich von unserem Optimismus anstecken lassen, dass die Gerichtsentscheidung zu unseren Gunsten ausgeht. Nun mache ich mir um Rheinsbergs Zukunft keine Sorgen."

Dagegen hatte der Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) eine militärische Nutzung des Platzes befürwortet. „Allein die Beseitigung von Blindgängern auf der Areal hätte 200 bis 220 Jobs für die nächsten 10 bis 15 Jahren gebracht“, rechnet er vor. Außerdem habe die Bundeswehr der Stadt Wittstock eine Garnison zugesagt. „Nun hängt alles in der Luft“, sagt Scheidemann.

Tatsächlich ist die entgültige Entscheidung über die Zukunft des Bombodroms noch nicht gefallen. Das Verteidigungsministerium lässt offen, ob es nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes in die nächsten Instanzen zieht. Wie ein Sprecher erklärte, werde Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) erst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Linie des Ministeriums sei, dass wegen der Größe und der räumlichen Bedingungen des Wittstocker Areals die Luftwaffe „nur dort“ angemessen üben können.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) forderte den Verteidigungsminister am Mittwoch zum „ehrenwerten Rückzug“ auf. „Es ist genau der richtige Zeitpunkt, wo man sagen kann und muss: Das war’s.“ Die Region dürfte nicht länger in Ungewissheit gelassen werden. Platzeck dankte den Regierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin für die Unterstützung gegen die Bundeswehrpläne. Zugleich kündigte er einen Brief in Abstimmung mit Mecklenburgs Regierungschef Harald Ringstorff (SPD) an Jung an, in dem er „deutliche Worte“ finden werde. Er bestätigte, dass Jung in der Vergangenheit in einem Briefwechsel zumindest angedeutet hat, bei weiteren Gerichtsniederlagen oder einer erwiesenen „Unverträglichkeit der Schutzinteressen der Region mit den Plänen der Bundeswehr“ auch einen Verzicht auf das Projekt ins Betracht zu ziehen.

Genau dieser Fall ist mit dem Potsdamer Urteil nach Auffassung der Landesregierung, aber auch der Bürgerinitiative „Freie Heide“ eingetreten. Das Potsdamer Verwaltungsgericht hatte am Dienstag wie berichtet in drei Musterverfahren stellvertretend für 24 laufende Klagen der Bundeswehr die beantragte Betriebsgenehmigung für den 12 000 Hektar großen früheren sowjetischen Truppenübungsplatz verweigert. Neben der fehlenden Rücksicht auf Lärmschutzinteressen von Anrainern wurde das Urteil auch mit Planungsmängeln begründet. „Nachdem die Bundeswehr seit 15 Jahren quasi alle Prozesse verloren habe, kann sie nicht einfach weitermachen, ohne Erfolgsaussichten“, sagt dazu Benedikt Schirge von der Bürgerinitiative „Freie Heide“, die in den letzten Jahren über 100 Demonstrationen gegen das Bombodrom veranstaltet hat. Jetzt sei die Politik am Zug.

Um die juristischen Chancen der Bundeswehr dürfte es nicht gut stehen. „Das Gericht hat schwerste Abwägungsfehler gerügt“, sagt Brandenburgs Staatskanzleichef Clemens Appel. „Wenn wir das beim Flughafen BBI so gemacht hätten, würde er nicht gebaut.“ Kläger-Anwalt Rainer Geulen äußert sich erstaunt über das „Ausmaß an Unfähigkeit“ bei den Planungen und dem Vorgehen der Bundeswehr zur Durchsetzung des Bombodroms. Das Gericht habe schon Mängel bei den simpelsten Sachen wie „einer ordentlichen Betriebsgenehmigung und ordentlichem Kartenmaterial“ gerügt. „Zu den eigentlichen Grundsatzfragen, etwa dem Fehlen eines Gesetzes für so ein Projekt, sind wir noch gar nicht gekommen“, sagt Geulen. „Wir haben noch viele Pfeile im Köcher.“

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