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Brandenburg: Cargolifter: Luftballon am Börsenhimmel

Ein starker Auftritt: 150 Mark Eintritt pro Person - zum Besichtigen einer Werkshalle. Getränke und Essen kommen dazu.

Ein starker Auftritt: 150 Mark Eintritt pro Person - zum Besichtigen einer Werkshalle. Getränke und Essen kommen dazu. Das ist teurer als ein Expo-Besuch. Dort war lediglich eine Weltausstellung zu sehen, in Brand jedoch ein Brandenburger Weltwunder zu bestaunen. Davon gibt es im Land nicht viele, deswegen kamen am Sonnabend einige tausend Menschen zur Cargolifter AG. Vor ihnen waren schon 110 000 Besucher da, um die gigantische Halle wachsen zu sehen. Auch Ministerpräsident Manfred Stolpe und Bundeskanzler Gerhard Schröder gehörten dazu. Und alle sehen - nichts. Viel Luft und eine Hülle drum herum. Ein richtiges Überraschungsei: die weltgrößte Halle, in der mühelos der 100 Meter hohe Berliner Sony-Turm untergestellt werden könnte.

Das macht Eindruck. So viel Eindruck, dass die Cargolifter AG mit ihren Luftschiffen ein Liebling der Börse ist: hochfliegende Fantasien und in den Himmel steigende Börsenkurse. Ausgeprägte Fantasie ist notwendig, denn bislang hat das prosperierende Unternehmen nicht mehr als eine Idee zu bieten. Die aber ist so beeindruckend gigantisch, dass darüber selbst kühl kalkulierende Männer, Manager und Anlageprofis zu staunenden kleinen Jungs werden.

Eine Vision als Kapital

"Wir kennen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Luftmeer", sagt Cargolifter-Chef von Gablenz über sein Kapital. Mit dieser Vision hat das Unternehmen schon 620 Millionen Mark eingesammelt - von Anlegern, von der EU und auch 77 Millionen Mark vom Land Brandenburg. Die Landesregierung ist froh, die Brache des ehemaligen sowjetischen Flughafens an die Cargolifter AG losgeworden zu sein und setzt auf den Erfolg. Strukturelle Wirtschaftsentwicklung - das kann sich das Land kaum leisten, vom Wirtschaftsminister wird nach dem Prinzip Hoffnung gehandelt. Wer will es der Landesregierung verübeln, die gegenwärtig nach der Pleite des mit viel Landesmitteln gemästeten "Wurstkönigs" Gerhard Thien um 1000 Arbeitsplätze in Eberswalde und Eisenhüttenstadt kämpft. Landesvater Manfred Stolpe mag sich kaum noch daran erinnern, dass er sich 1994 in seiner Regierungserklärung verpflichtete, die Arbeitslosigkeit auf 10 Prozent zu senken. Heute liegt sie bei 17 Prozent.

Überraschungsei

Eine Riesenhalle, ein attraktives Besucherzentrum, ein wenig Erlebnispark und bunte Bilder - doch gebaut wurde in Brand noch kein einziges der 260 Meter langen Fluggeräte. Nicht einmal die technischen Probleme mit dem heliumgefüllten Giganten sind gelöst oder in der Realität erprobt. In den beeindruckenden Filmchen, wenn das computeranimierte Luftschiff punktgenau seine gigantischen Lasten an die Zielorte einschwebt, sieht das kinderleicht aus. Ob der Winddruck auf die riesige Zigarre beim Lade- und Landevorgang beherrschbar ist, oder wie ein plötzliches Emporschießen des Luftschiffes nach dem Entladen verhindert werden kann - dass sind offene Fragen. Deswegen wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis die Luftschiffe überhaupt eine Zulassung durch das Luftfahrtbundesamt erhalten werden. Die Serienproduktion im Jahr 2003 zu starten, ist ein mehr als ehrgeiziges Ziel.

Niemand mag sich technikfeindliche Miesmacherei nachsagen lassen. Aber die Macher müssen noch beweisen, dass die faszinierende Vision mehr als ein Tagtraum ist. Der Erfolg wäre den Menschen zu wünschen, die sich einen sicheren Arbeitsplatz in Brand erhoffen. Auch der Landesregierung, die viele Millionen Mark auf luftige Versprechungen hin bewilligt hat. Noch ist das Projekt nicht mehr als ein Luftballon am Börsenhimmel. Der kann schnell platzen. Die Aktionäre müssen sich dann auf rapiden Sinkflug beim Börsenkurs einstellen, die Politiker in Potsdam auf kritische Fragen.

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