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DDR-Vergangenheit: Mehr als 150 Justiz-Mitarbeiter haben eine Stasi-Vergangenheit

Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) korrigiert die Zahl der bekannten Fälle drastisch nach oben. Die Opposition fordert die Überprüfung aller 800 brandenburgischen Richter.

Potsdam - Nach der Polizei gerät nun auch die Justiz im Land Brandenburg wegen immer mehr Stasi-Fällen unter Druck: An Gerichten, Staatsanwaltschaften und in Haftanstalten gibt es 152 Bedienstete mit einer Stasi-Belastung, informierte Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) am Mittwoch den Rechtsausschuss des Landtages. Er korrigierte damit Angaben vom März über 82 Stasi-Fälle erheblich nach oben. Die Diskrepanz erklärte er mit einer „schlampig“ geführten Statistik vor seiner Amtszeit unter den CDU-Ministerinnen Barbara Richstein ( 1999 bis 2004) und Beate Blechinger (2004 bis 2009). Über die Konsequenzen aus den neuen Erkenntnissen wird nun im Landtag gestritten.

Die Opposition aus CDU, FDP und Grünen fordert nun eine flächendeckende Stasi-Überprüfung aller 800 brandenburgischen Richter. Neben Behördenschefs ist diese für Berufsrichter – für den öffentlichen Dienst wurde die Regelanfrage 2006 abgeschafft – weiter möglich. Schönburg lehnt dies bislang ebenso ab wie eine Einzelfall-Überprüfung der Richter mit bekannter Stasi-Vergangenheit. Nach seinen Angaben sind es nicht 3, sondern 13 Richter, die für den DDR-Geheimdienst tätig waren. Schöneburg wies darauf hin, dass 9 davon lediglich beim Stasi-Wachregiment ihren Wehrdienst abgeleistet hätten. In den anderen vier Fällen sei die Stasi-Tätigkeit vor Wahl mit Zwei-Drittel-Mehrheit in den Ausschüssen, vor der Verbeamtung bekannt gewesen, aber in den 90er Jahren als nicht gravierend eingestuft worden. Vor der Übernahme seien auch Tausende ihrer DDR-Urteile auf politisches Unrecht untersucht worden. In keinem Fall gebe es Hinweise auf arglistige Täuschungen, sagte Schönburg. Die Sachverhalte seien anders als die jüngsten Fälle bei der Brandenburger Polizei, wo Beamte zu ihrer Stasi-Tätigkeit vor Einstellung falsche Angaben machten.

Der Opposition reicht das nicht aus. Die Grünen-Abgeordnete Sabine Niels wies darauf hin, dass seit den 90er Jahren in der Stasi-Unterlagenbehörde viele Akten „erst danach erschlossen wurden.“ CDU-Rechtsausschusschef Sven Petke mahnte ein „einheitliches Agieren“ der von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführten rot-roten Regierung an: Es könne nicht sein, dass der Justizminister eine rechtlich mögliche Stasi-Überprüfung von Richtern ablehne, „die selbst Recht sprechen“, während der Innenminister Dietmar Woidke (SPD) bei in der Hierarchie niedrigeren Wachenleitern entsprechende Anfragen versucht. Allerdings ist Woidke mit seinem Vorstoß, 64 höhere Polizeibedienstete überprüfen zu lassen, gerade bei der Stasi-Unterlagenbehörde gescheitert. Wodike will dagegen Widerspruch einlegen. „Es ist notwendig, dass Herr Schönburg die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft“, sagte die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Sie warnte vor einer Neuauflage der „unhaltbaren Situation“ der 90er Jahre, wo jedes Ressort der Landesregierung anders mit Stasi-Fällen umgegangen war.

Rückendeckung bekommt Schönburg aus der Justiz. Zwar äußerte sich Generalsstaatsanwalt Erardo Rautenberg „überrascht“ über den Anstieg der Zahlen. Doch die Entscheidungen der früheren Gremien seien „zu respektieren.“ Der Richterbund warnte vor einem „Generalverdacht“.

In der CDU sorgt der Umgang eigener Ex-Minister der früheren rot-schwarzen Regierung mit der Stasi für Zerwürfnisse. Die früheren Justizministerinnen Richstein und Blechinger hatten trotz eindeutiger Beschlusslage des Kabinetts und Hinweisen auf Stasi-Belastete von Justiz-Wärtern den bis 2006 möglichen Stasi-Check des Personals abgelehnt.

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