zum Hauptinhalt

Brandenburg: Dem Wald fehlt der Winterschlaf

Experten schlagen Alarm: Eichen, Buchen und Fichten leiden extrem unter der Wärme und Trockenheit

Von

Bad Freienwalde / Berlin - Ein in schönster Blüte stehender Ast einer japanischen Zierkirsche im Zentrum von Bad Freienwalde ist seit einigen Tagen Stadtgespräch in der 50 Kilometer nordöstlich Berlins gelegenen Kleinstadt. Es gebe keinen besseren Beweis für den Klimawandel, heißt es. Doch Fachleute wiegeln ab. Der Knospenknall im Dezember trete bei diesem Baum immer mal wieder auf und sei auf einen genetischen Defekt zurückzuführen. So recht will an diese Erklärung niemand glauben. Schließlich treiben im Oderland auch schon mehrere Weidenkätzchen aus. Und der Winterraps ragt viel zu weit aus dem Boden.

Die Landesforstverwaltung in Eberswalde befürchtet durch den warmen Herbst sogar langfristige Gesundheitsschäden für die Wälder. Durch die anhaltend hohen Temperaturen kommen die Bäume nicht zur Ruhe, der Motor droht heiß zu laufen, erklären die Waldökologen. Und schlagen Alarm: Die Bäume verbrauchten derzeit ihre Reservestoffe für den Austrieb im nächsten Jahr. Zur ungewöhnlichen Wärme käme als zweiter negativer Faktor die zurückgehenden Niederschlagsmengen in weiten Teilen Brandenburgs hinzu. An der Wetterstation Angermünde wurden bis Ende November nur 395 Millimeter Regen gemessen. Das ist knapp die Hälfte des durchschnittlichen Niederschlags in Deutschland (750 Millimeter). Meteorologen sprechen deshalb für den Nordosten Brandenburgs schon von einem Steppenklima.

Der Deutsche Wetterdienst bezeichnete den Herbst 2006 in der Region Berlin-Brandenburg als den wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Von September bis November lagen die Durchschnittstemperaturen 3,4 Grad über dem langjährigen Mittel – für die erste Dezemberhälfte sogar über 5,6 Grad. Durch ausbleibenden Regen und die hohe Verdunstung geht die Feuchtigkeit vor allem in den oberen Bodenschichten dramatisch zurück. Auf Versuchsflächen der Landesforstanstalt Eberswalde konnte sogar überhaupt keine Feuchtigkeit mehr im Oberboden festgestellt werden. In der Tiefe von etwa 60 Zentimetern haben die meisten Baumarten aber ihren Hauptwurzelraum. Der Grundwasserstand sinkt weiter. „Besonders die zeitlich schnelle Abfolge von Trocken- und Wärmejahren potenziert die Schäden", erklärt ein Sprecher der Landesforstverwaltung.

Die Bäume hätten keine Zeit, sich von einem Extremjahr zu erholen, da die Reaktionszeit mindestens vier Jahre betrage. Daher seien weitere Verluste der Vitalität, besonders bei Eichen und Buchen, zu erwarten. „Die Eiche hat die größten Probleme, sich auf das veränderte Klima einzustellen“, sagt Michael E. Luthardt, Referatsleiter für Waldökologie im Landwirtschaftsministerium. Die Kiefer komme besser zurecht, allerdings sei der Anbau von Eichen und Buchen in den vergangenen Jahren forciert worden – auch, weil die Kiefer dem Boden viel Wasser entziehe.

Die Situation in den Berliner Waldgebieten ist ähnlich dramatisch wie in Brandenburg, sagt Elmar Kilz, der Leiter des Forstamtes Grunewald: „Die Trockenheit ist so groß, dass man immer nur an die Bevölkerung appellieren kann, das ganzjährige Rauchverbot in den Wäldern zu befolgen.“ Ansonsten könne der Mensch im Moment wenig tun. „Im Frühjahr sind wir gefragt, wenn es darum geht, das Totholz zu entfernen“, sagt Kilz: Jetzt können wir für die Bäume genauso wenig tun wie für die Maulwürfe, die ja noch immer durch die Gärten toben und nicht zum Winterschlaf kommen.“

Außerdem hofft Kilz wie seine Brandenburger Kollegen, dass es in den kommenden Monaten friert und sehr viel Schnee fällt. Wenn der dann wieder taut, sickere die Feuchtigkeit ganz langsam in den Boden und könne von den Bäumen besser aufgenommen werden als bei Regen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false