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Brandenburg: Der Nachfolger

Jann Jakobs wurde vor einem Jahr zu Potsdams Oberbürgermeister gewählt – auch Gegner bekunden Respekt

Potsdam. Welche Niederlagen er erlebt hat? Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) überlegt kurz, gibt dann eine Antwort, die ihn selbst verblüfft. „Da fallen mir merkwürdigerweise überhaupt keine ein.“ Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, am 27. Oktober 2002, ist er zum Nachfolger von Matthias Platzeck gewählt worden, der als Stolpes Nachfolger zum Ministerpräsident avanciert war. Mit einem hauchdünnen Vorsprung von 124 Stimmen schlug der langjährige Sozialbeigeordnete Jakobs den PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg in der Stichwahl.

Doch wenn am Sonntag in Potsdam ein neues Stadtparlament gewählt wird, könnte die PDS Revanche nehmen. Jakobs selbst steht diesmal nicht zur Wahl, aber die Sozialisten könnten ihn mit einer unbequemen Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung konfrontieren. Gegenwärtig hat die SPD dort 20 Abgeordnete, die PDS 15, die CDU sechs und andere Parteien und Gruppen 9. Doch anders als vor fünf Jahren, als die SPD bei der Kommunalwahl, die am selben Tag wie die Bundestagswahl stattfand, von den vielen Schröder-Wählern profitieren konnte – sind die Aussichten für die Genossen nun alles andere als rosig. Der Bundestrend richtet sich gegen die SPD; die PDS setzt auf ihre disziplinierten Stammwähler und will, wie vor 1998, wieder stärkste Partei in Potsdam werden. Sogar die bislang schwache CDU ist selbstbewusst geworden und will auch von den tausenden Neubürgern profitieren, die aus Berlin und den alten Ländern zugezogen sind: Bürgerliche, ihr klassisches Klientel.

Freilich, der Wahlkampf selbst ist eher müde, Reizthemen fehlen. Ein Indiz, dass es im Gegensatz zu Brandenburgs Problemregionen mit Potsdam aufwärts geht: Stichworte wären die Ansiedlung des Hasso-Plattner-Instituts und anderer IT-Firmen, eines VW-Designzentrums, der Bau des neuen Theaters, das künftige Kaufhaus in der Fußgängerzone, für das heute der Grundstein gelegt wird.

Und Jakobs, der 49-jährige Oberbürgermeister, bekommt für sein erstes Jahr überwiegend gute Noten. Skeptiker, die erwartet hatten, dass der eher spröde Verwaltungsmann sich nicht aus Platzecks Schatten lösen könne, sind verstummt. Er habe nicht nur viel von diesem gelernt, heißt es heute, er sei auch lockerer und kommunikativer geworden. „Das Rathaus hat er besser im Griff als Platzeck“, bescheinigt ihm nicht nur der damalige Stichwahl- Konkurrent Scharfenberg. „Er ist ein passabler OB, der die Stadt solide führt“, sagt auch der CDU-Kreischef Wieland Niekisch. „Man merkt, dass es für ihn kein Übergangs-Job ist.“

Manche Genossen erinnern sich noch gut daran, dass Vorgänger Platzeck trotz seiner Popularität einige Male mit wichtigen Vorlagen und Personalien im Stadtparlament durchfiel. Das passierte Jakobs bisher nicht. Es gelang ihm, wechselnde Mehrheiten auch für schwierige Beschlüsse zu gewinnen. Etwa für den scharfen Sparhaushalt mit massiven Erhöhungen der Kita-, Musikschul- oder Parkgebühren. Eine Etatlücke von 27 Millionen Euro hatte Platzeck ihm hinterlassen; Jakobs drückte das Minus auf 22 Millionen.

Doch für 2004 droht nun sogar ein Defizit von rund 50 Millionen Euro. Noch hat Jakobs die absehbaren Kürzungen nur vorsichtig angedeutet: „Wir müssen uns klar werden, was wir uns noch leisten können“. Sicher ist, dass es zu weiteren empfindlichen Einschnitten im Sozial- und Kulturbereich kommen wird.

Umso lieber wäre es Jakobs, könnte er nach der Wahl mit „verlässlichen Mehrheiten“ regieren. Nur allzu gern würde er nach der Kommunalwahl ein festeres Bündnis eingehen, den Begriff Koalition vermeidet er. Aber wie werden die Mehrheiten im neuen Stadtparlament aussehen? Reicht es für Schwarz-Rot? Kommt Rot-Rot? Jakobs hält sich alle Optionen offen. Wenn die PDS tatsächlich stärkste Partei werden sollte – schreckt ihn das nicht. Denn „an Blockadepolitik hat niemand ein Interesse“. Soll heißen, auch die Sozialisten nicht.

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