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Brandenburg: Der verschwundene Stau

Claus-Dieter Steyer

Er beherrschte alljährlich pünktlich die Radionachrichten und halbe Zeitungsseiten, zwang die Polizei und Notfalldienste zu Sonderschichten und ist nun nach 15 Jahren fast unbemerkt verschwunden: der Stau auf Brandenburgs Autobahnen zu Ferienbeginn.

Kilometerlang standen einst die Autos auf vielen Abschnitten des Berliner Rings und auf den Strecken von Berlin an die Ostsee oder an die Mecklenburgische Seenplatte. Nicht viel besser sah es in Richtung Westen und Süden aus. Wer nach Frankfurt oder weiter nach Polen wollte, steckte mindestens 15 Kilometer vor der Grenze in der endlosen LkwKolonne. Der ADAC und andere Automobilclubs gaben Empfehlungen, möglichst nachts oder gar erst sonntags in den Urlaub zu starten. Aber eine Garantie für freie Fahrt bedeutete auch das nicht. Irgendwo lähmte immer eine Baustelle den Verkehrsfluss.

Nun aber ist das Wunder geschafft. Dank vieler hundert Millionen Euro befinden sich die wichtigsten Autobahnen nach Südwesten und Westen im Top-Zustand. Der Wegfall der Zollkontrollen an der Ostgrenze hat die Lkw-Warteschlangen in Luft aufgelöst. Wo noch gebaut wird, wie auf der A 13 nach Dresden und auf dem Berliner Ring, stehen immer zwei Fahrspuren zur Verfügung. Nur auf der A 11 nach Prenzlau gelang das nicht. Prompt gibt es einige Probleme. Doch auch hier gehören drei Stunden Stau wie noch im Vorjahr der Vergangenheit an. Auf der A 24 nach Hamburg wirkt das anfangs heftig umstrittene und bekämpfte Tempolimit von maximal 130 Kilometern pro Stunde wie ein Beruhigungsmittel. Beim meist dichten Verkehr kommt es nur selten zu Sprinteinlagen und Drängeleien. Die kleineren Staus am vergangenen Freitag lagen eindeutig an der Unaufmerksamkeit von Autofahrern, die zu Unfällen führte.

Somit ist es nur zu begrüßen, wenn das für den Verkehr zuständige brandenburgische Infrastrukturministerium seine Politik jetzt umsteuert. Noch stärker als bisher sollen Autobahnen und viel belastete Bundesstraßen bei der Geldvergabe bevorzugt werden. Das Nachsehen haben zwar Ortsumgehungen und wenig genutzte Landstraßen. Doch endlich gehört auch hier das wenig erfolgreiche Gießkannenprinzip der Vergangenheit an. Wie in der Wirtschaftspolitik erhalten die wichtigsten Projekte die größte Förderung.

Allerdings scheint es im Eifer des Gefechts an der nötigen Kontrolle der Bauarbeiten zu mangeln. Schließlich ist die Brücke über den Teltowkanal im Zuge der verlängerten Avus erst 1998 fertig gestellt worden. Schon jetzt sind die Lager so beschädigt, dass sie wieder repariert und die Straße halbseitig gesperrt werden muss. Als ein ähnlicher Dauer-Sanierungsfall erweist sich die Rüdersdorfer Brücke.

Bei aller Freude über den fast ungestörten Reiseverkehr zum Ferienauftakt sollte die Euphorie über den Autobahnausbau nicht zu groß ausfallen. Denn im Unterschied zu den Vorjahren geht der Urlaubsverkehr mit dem Auto augenscheinlich zurück. Die Billigfluglinien machen Flugreisen angesichts hoher Benzinpreise für alle lukrativ. Das Gleiche trifft auf die Bahn mit ihren Sonderaktionen zu. Außerdem spiegelt sich der dramatische Rückgang der Schülerzahlen in der Region wider. Immer weniger Haushalte besitzen schulpflichtige Kinder, so dass sie für ihre Urlaubsreise nicht mehr auf die Schulferien angewiesen sind. Auch deshalb gehören Ferienstaus der Vergangenheit an.

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