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Brandenburg: Die Entdeckung des Ostens

Platzeck will mehr Kooperation mit Polen. Auch Experten sehen dort Potenzial

Wien/Erkner - Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will die grenzüberschreitende Kooperation mit dem Nachbarn Polen und anderen Ländern Ost- und Mitteleuropas ausbauen. „Das liegt im strategischen Interesse für unsere Region“, sagte Platzeck am Donnerstag zum Abschluss einer Reise nach Wien und Niederösterreich. Dort hatte sich Brandenburgs Regierungschef unter anderem darüber informiert, wie intensiv Wien und das die Hauptstadt umgebende Bundesland Niederösterreich mit der Slowakei, Tschechien und Ungarn zusammenarbeiten und unter anderem ein gemeinsames Standortmarketing betreiben.

Der Raum Berlin, Stettin, Breslau, Posznan könne „ein europäischer Zukunftsraum werden“, sagte Platzeck. Es wäre sinnvoll, wenn Brandenburg, Berlin, Dresden und Schwerin an einem Strang ziehen könnten. Konkret will Platzeck prüfen lassen, ob das Land Außenwirtschaftsbüros in Osteuropa eröffnen soll. Bislang gibt es ein solches in Moskau, Singapur und Dubai. Der Regierungschef verwies darauf, dass Niederösterreich mit eigenen Büros in Prag, Budapest, Bratislava und Warschau gute Erfahrungen gemacht und in diesem Jahr ein Büro in Rumänien eröffnet habe. Niederösterreich hat auch grenzüberschreitende Gewerbegebiete entwickelt. „Wir haben wie Brandenburg die europäischen Tigerstaaten vor der Haustür. Da müssen wir hin“, erklärte Herbert Halbwidl, Direktor für Außenbeziehungen der niederösterreichischen Regierung.

Platzeck bedauerte, dass sich zwischen Berlin und Stettin „bislang wenig tut, um nicht zu sagen gar nichts“. Dabei sei Stettin „einmal der wichtigste Hafen für Berlin“ gewesen. Er machte keinen Hehl aus seiner Ansicht, dass es in den nächsten Jahren sinnvoller sei, sich auf die Erschließung von Wachstumsmärkten im Osten zu konzentrieren, als Kräfte auf eine kaum aussichtsreiche Fusion von Berlin und Brandenburg zu verschleißen.

Unabhängige Experten teilen Platzecks Sicht: Nach dem Fall der Mauer habe die Politik versucht, Unternehmen aus Westdeutschland anzuwerben. „Dabei übersah man das riesige Potenzial in Polen und Tschechien“, kritisiert der Stadtökonom Martin Rosenfeld vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. „Berlin und Brandenburg haben jahrelang in die falsche Himmelsrichtung geschaut.“

„Wien kriegt das besser hin“, sagt Hans Joachim Kujath vom Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner. Wegen ihrer geografischen Randlage sei die österreichische Hauptstadt mit Berlin vergleichbar. Wien stehe heute aber besser da, nicht allein, weil es wegen der k.u.k.-Monarchie historisch einen besseren Zugang nach Osten habe als Berlin. Doch trotz mancher Ressentiments gebe es für Unternehmen einen riesigen Markt in Poznan, Stettin, Warschau und Prag. „Die Berliner Messe könnte beispielsweise mit der Messe Poznan kooperieren“, schlägt Kujath vor.

Die Länderfusion hält Kujath dabei nicht für notwendig. Berlin und Brandenburg müssten nur besser kooperieren. Es gebe genügend Beispiele, wie die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg funktionieren könne – etwa den Rhein-Neckar-Raum, wo Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Infrastruktur und Wirtschaftspolitik gemeinsam gestalteten. „Und im Ausland werden Berlin und Brandenburg längst als eine Region wahrgenommen“, sagt Kujath. Sie werde als das künftige Drehkreuz zwischen Ost- und Westeuropa gesehen. Tatsächlich kann man heute während einer Fahrt auf dem Berliner Ring die gesamte Logistikindustrie Deutschlands kennenlernen, die den Handel Richtung Osten organisiert.

Ebenso verflechten sich die Wirtschaftsstrukturen beider Länder immer enger. „Berlin wird enorme Wachstumsraten bei den unternehmensnahen Dienstleistungen verzeichnen“, sagt Kujath voraus. Er meint damit Wirtschaftsberatungen, Marketinginstitute und Forschungseinrichtungen. „Und davon profitieren die Technologiestandorte in Brandenburg.“ Ein gutes Beispiel seien Rolls- Royce in Dahlewitz und MTU in Ludwigsfelde. Beide könnten ohne die Beziehung zur Humboldt-Universität, den Instituten in Adlershof und zur TU Berlin kaum existieren: Die Wissenseinrichtungen liefern Know-how und Experten. „Berlin, Potsdam und Brandenburg müssen endlich beginnen, sich gemeinsam der Welt zu präsentieren“, sagt Kujath. thm/lich

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