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Brandenburg: "Die Fehler von 1993 sind Hornos Tragik"

Nach dem Horno-Urteil des Verfassungsgerichtes ist ein Streit darüber entbrannt, ob der Artikel 25 der Verfassung richtig interpretiert wurde: Er garantiert den Schutz des sorbischen Siedlungsgebietes.Michael Mara sprach darüber mit Günter Nooke, dem ehemaligen Chef der Bündnis-Fraktion im Landtag.

Nach dem Horno-Urteil des Verfassungsgerichtes ist ein Streit darüber entbrannt, ob der Artikel 25 der Verfassung richtig interpretiert wurde: Er garantiert den Schutz des sorbischen Siedlungsgebietes.Michael Mara sprach darüber mit Günter Nooke, dem ehemaligen Chef der Bündnis-Fraktion im Landtag.Der Energieexperte arbeitet heute in der Braunkohlesanierung.

TAGESSPIEGEL: Können Sie das Urteil des Verfassungsgerichtes, wonach Horno abgebaggert werden kann, nachvollziehen?

NOOKE: Die Landesverfassung, an deren Entstehung ich mitgewirkt habe, läßt nur den Schluß zu, daß das Horno-Gesetz gegen den Artikel 25 zum Schutz des sorbischen Siedlungsgebietes verstößt.Es war die klare Intention der Verfassungsautoren, daß nach der Raubbaupolitik der DDR keine weiteren sorbischen Gemeinden der Kohle zum Opfer fallen.Es sollte genau das verhindert werden, was jetzt eintritt.

TAGESSPIEGEL: Teilen Sie die Befürchtung des Sorbenbeirates beim Landtag, daß Horno zum "Präzedenzfall" für die sorbische Minderheit wird?

NOOKE: Das Verfassungsgericht hat deutlich gemacht, daß der in der Verfassung garantierte Schutz des sorbischen Siedlungsgebietes nicht mehr Wert ist, als andere unverbindliche Staatsziele.Der Artikel 25 ist also nicht einklagbar, sondern Prosa, wie so vieles in der Brandenburger Verfassung.

TAGESSPIEGEL: Also kritisieren Sie das Urteil der Verfassungsrichter?

NOOKE: Nein.Wir leben in einem Rechtsstaat und die Entscheidung muß akzeptiert werden.Allerdings läßt sie Fragen offen.Man könnte zu dem fatalen Eindruck kommen, daß sich SED-Braunkohlepolitik und rechtsstaatliche Verfahren ähneln.Ich beklage, daß diese Unterschiede verwischt worden sind.Das ist keine Kritik am Verfassungsgericht, sondern an der Politik.

TAGESSPIEGEL: Wie meinen Sie das?

NOOKE: Wenn die Landesregierung der Auffassung ist, wie sie ja immer wieder betont hat, daß Horno im Interesse Tausender Arbeitsplätze abgebaggert werden muß, hätte sie auch den Mut aufbringen müssen, die Verfassung ändern zu lassen.Ich wiederhole: Der Artikel 25 ist in seinen Intentionen eindeutig.Aber die Landesregierung scheut davor zurück, Konflikte zu thematisieren und offen auszutragen.

TAGESSPIEGEL: Ist die Abbaggerung von Horno aus Ihrer Sicht notwendig?

NOOKE: Die Entscheidung ist zu einem Zeitpunkt gefallen, wo die energiepolitische Notwendigkeit überhaupt nicht bewertet werden konnte, nämlich 1993.Als das Ampel-Kabinett damals ohne Not den Kohleplan gegen den Einspruch unserer Bündnis-Fraktion und des Umweltministers Matthias Platzeck beschloß, ging man von einem völlig überhöhten Braunkohlebedarf aus.Die Zahlen wurden im Laufe der Jahre immer weiter nach unten korrigiert.Aber seit der damaligen Grundsatzentscheidung im Kabinett hatten die Kohle-Unternehmen LAUBAG und VEAG quasi Planungssicherheit.Das Kraftwerk Jänschwalde wurde mit Milliarden-Summen modernisiert.Bei einer Korrektur der Entscheidung zugunsten Hornos wären immense Schadensersatzforderungen auf das Land zugekommen.Deshalb fand seitdem kein Kampf mehr zwischen LAUBAG und Horno, sondern zwischen Landesregierung und Horno statt.

TAGESSPIEGEL: Horno hatte also von vornherein keine Chance?

NOOKE Den Mut, den Fehler von 1993 einzugestehen, hatten weder Stolpe-Regierung, noch Landtag, und offenbar auch nicht die Verfassungsrichter.Das ist Hornos Tragik.

TAGESSPIEGEL: Sollten die Hornoer jetzt zivilen Ungehorsam üben?

NOOKE: In einem Rechtsstaat muß man auch Urteile, die zweifelhaft sind, anerkennen.Es kann nicht darum gehen, Gewalt und Widerstand in Horno zu organisieren.Ich sehe auch kaum noch rechtliche Möglichkeiten, die Abbaggerung zu verhindern.

MICHAEL MARA

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