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Brandenburg: Die leisen Töne des Generals

Nach den Attacken gegen DDR und PDS geht ein kleinlauter CDU-Chef Schönbohm auf Wahlkampftour. Doch viele Bürger wollen ihn gar nicht mehr sehen

Luckenwalde/Lübben. Es gab eine Zeit, da war die Welt des Jörg Schönbohm noch in Ordnung. Jetzt hat sich alles verändert, selbst seine Stimme. Dienstagabend in der Fußgängerzone von Lübben im Spreewald: Der CDU-Landeschef und Innenminister steht auf dem grell angestrahlten zahnpastaweißen Wahlkampfmobil der Union und erklärt, warum Rot-Grün abgewählt werden muss: Damit es Deutschland und Brandenburg gut geht, damit eine Brandenburgerin, eine Ostdeutsche Kanzlerin wird. „Eine, die die Lebenswirklichkeit der Ostdeutschen kennt und versteht.“

Der 68-Jährige spricht hochkonzentriert, betont langsam. Nicht ein einziges Mal überschlägt sich seine Stimme, verschluckt er Wortsilben. Das ist nicht der unberechenbare Polarisierer, der impulsive General, der sich bei früheren Wahlkampf-Auftritten den „Kampfanzug“ anzog und loswetterte. Gefeiert von den eigenen Leuten, ausgepfiffen vom politischen Gegner. „Er beherrscht sich, das muss ihm bei der Anspannung der letzten Wochen extrem schwer fallen“, kommentiert ein CDU-Kabinettsmitglied.

Nur keinen neuen Fehler machen, nur kein falsches Wort, das noch mehr Schaden anrichten könnte, mag sich Schönbohm geschworen haben. Seine CDU ist in wenigen Wochen um zwölf Punkte auf 21 Prozent bei der Sonntagsfrage abgesackt – nachdem er mit seiner These von der Proletarisierung der Bevölkerung durch die SED als Ursache für Gewalt und Wegschau-Mentalität im Osten für helle Empörung sorgte. Mit dem falschen Stasi-Vorwurf gegen die PDS-Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann und seine Weigerung, sich zu entschuldigen, setzte er noch eins drauf. Auf seiner Wahlkampftour geht Schönbohm mit keinem Wort darauf ein. Aber man spürt, dass seine Fehltritte die Wahlkampftauftritte überschatten.

So war es auch gestern Nachmittag in Luckenwalde. Da wurde Schönbohm nach seiner Wahlkampfrede umringt: „Warum können Sie sich nicht einfach bei Frau Enkelmann entschuldigen?“, fragt Jutta Wilke, eine Rentnerin und blickt Schönbohm in die Augen. Er scheint drauf gewartet zu haben, spricht von einem Fehler und davon, dass er schon nach wenigen Stunden gegenüber Journalisten alles klargestellt habe. „Ich habe gesagt, dass es mir Leid tut.“ Auch wenn das nicht stimmt - jetzt hat er es gesagt. Schönbohm verachtet die PDS, deshalb wollte er nicht über seinen Schatten springen, hat sogar noch nachgelegt: Für einen PDS-Funktionär könne ein solcher Vorwurf doch nicht ehrenrührig sein. Auch wenn die Mienen der meisten Zuhörer skeptisch bleiben, kann Schönbohm im direkten Gespräch durchaus punkten. „Ich werde Sie trotzdem wählen“, sagt ein Luckenwalder, der Schönbohm zuvor einen bösen Brief wegen der Proletarisierungsthese übergeben hat.

Allerdings fällt auf: Das Interesse, von „Mensch zu Mensch“ mit Schönbohm zu sprechen, ist gering. In Luckenwalde, wo seine Tour begann, sind gerade mal 80 Leute gekommen, in Lübben 120. Die überwiegende Zahl sind CDU-Mitglieder und -anhänger. Sie klatschen, wenn Schönbohm redet. Das restliche Drittel verfolgt mit skeptischem Blick seinen Auftritt, rührt keine Hand zum Beifall. Aber es fliegen keine Tomaten, keine Eier. Schönbohm wird auch nicht niedergeschrien. Es scheint ganz anders zu laufen: Viele wollen Jörg Schönbohm, der nach der jüngsten Umfrage unbeliebtester Politiker Brandenburgs ist, nicht hören. Sie bleiben fern.

Es sind harte Zeiten für diesen Mann, der die märkische CDU erst regierungsfähig gemacht, der wesentliche Reformen in der Landesregierung durchgesetzt hat. Und dessen politisches Schicksal wahrscheinlich vom Wahlausgang abhängt. Bleibt die märkische CDU deutlich unter ihrem Ziel von 25 plus X, müsse er wohl Konsequenzen ziehen, meinen viele in der märkischen Union.

Anmerken lässt Jörg Schönbohm sich seine Sorgen nicht. Er genießt es, wenn Bürger auf ihn zukommen. Es sind kurze Momente, wo er in sein Inneres blicken lässt. Gewiss, er kämpft in diesem merkwürdigen Wahlkampf für Angela Merkel, aber er kämpft auch um seinen Ruf und um sein Brandenburger Lebenswerk.

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