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Brandenburg: Die Unterwelt von Diepensee

Grabungen auf dem Gelände des neuen Flughafens fördern Überraschendes zutage – sogar eine Kirche

Diepensee - Viel Arbeit beschert die Erweiterung des Flughafens Berlin-Brandenburg International den brandenburgischen Archäologen. Im Umkreis des Airports gehen sie mit Spaten, Kellen und Pinseln ins Erdreich. Sie legen Keller, Brunnen und Gräber frei, sortieren Keramikscherben und Metallgegenstände, messen Bodenverfärbungen aus. In der neuen Ausstellung „Zwischenlandung im Mittelalter“ wird gezeigt, was im ehemaligen Dorf Diepensee am Rand des Flughafengeländes gefunden wurde.

Die Spezialisten des Landesdenkmalamtes fingen 2003 damit an, das seit dem 13. Jahrhundert bewohnte und im Zusammenhang mit dem Flughafenausbau aufgegebene Dorf auszugraben. Was sie fanden, kann sich im Besucherzentrum Airportworld BBI gleich beim S-Bahnhof Berlin-Schönefeld sehen lassen. Bei der Eröffnung der bis 30. Juni laufenden Schau erklärte der brandenburgische Landesarchäologe Franz Schopper, es sei bei Ausgrabungsbeginn nicht abzusehen gewesen, dass die Funde so reichhaltig und aussagestark sein würden. Da die Grabungen noch bis 2007 dauern, sei noch einiges zu erwarten. Für ihn sei Diepensee wie ein offenes Geschichtsbuch. Es gebe kaum schriftliche Nachrichten über die Frühgeschichte des Dorfes. Anhand der Funde lasse sich vieles rekonstruieren.

Ein ausgegrabener Friedhof mit Skeletten von sechs oder sieben Generationen beispielsweise lasse auf hohe Kindersterblichkeit und Krankheiten durch mangelhafte Ernährung schließen. Nachgewiesen sei auch die Vernachlässigung kleiner Mädchen, die offenbar weniger zu essen bekamen als ihre Brüder und früher als diese sterben mussten.

Einzelne Fundstücke wie reich verzierte Keramik oder auch aus Steingewölben bestehende Keller, die man in einem Teil des Ortes gefunden hat, würden auf einen gewissen Wohlstand schließen lassen, so Schopper. Wer es sich im mittelalterlichen Diepensee leisten konnte, legte sich einen Keller unter seinem Wohnhaus an. Bisher wurden etwa 20 Hohlräume dieser Art freigelegt.

Die Besucher können sich in der Ausstellung auch darüber vergewissern, wie sich die Ur-Diepenseer mit Wällen, Palisaden und Zäunen vor feindlichen Überfällen und Raubzügen schützten, die im Mittelalter an der Tagesordnung waren.

Für den Ausgrabungsleiter Joachim Stark war die Entdeckung einer mittelalterlichen Kirche eine große Überraschung. „Von ihrer Existenz war bisher nichts bekannt. Die ausgegrabenen Fundamentreste ergeben einen romanischen Saalbau mit halbrunder Apsis“, sagt Stark. Vermutlich sei das Gotteshaus in der Barockzeit abgerissen worden, worauf Keramikscherben deuten.

Die Ausstellung ist täglich außer samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

Helmut Caspar

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