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Brandenburg: Dörfer ohne Lobby

ClausDieter Steyer über ein schlechtes Gedächtnis und die Lehren aus der Kommunalwahl ANGEMARKT Zwei Wochen nach einem großen Ereignis dürfte das Gedächtnis eigentlich noch keine großen Lücken aufweisen. Das müsste auch auf die Kommunalwahlen mit ihrer dramatisch geringen Wahlbeteiligung und vielen überraschenden Ergebnissen zutreffen.

ClausDieter Steyer über ein schlechtes Gedächtnis und die Lehren aus der Kommunalwahl

ANGEMARKT

Zwei Wochen nach einem großen Ereignis dürfte das Gedächtnis eigentlich noch keine großen Lücken aufweisen. Das müsste auch auf die Kommunalwahlen mit ihrer dramatisch geringen Wahlbeteiligung und vielen überraschenden Ergebnissen zutreffen. Doch nun gewinnt man den Eindruck, dass viele Politiker die Wahlen einfach aus ihrem Gedächtnis streichen wollen.

Den größten Fehltritt leistete sich der neue Bau- und Verkehrsminister Frank Szymanski. Der Politiker aus den Reihen der von den Wählern am stärksten abgestraften Sozialdemokraten will den Dörfern die Fördermittel streichen und sie statt dessen den Städten zugute kommen lassen. Diese würden auf die ländlichen Regionen schließlich ausstrahlen. Sogar die bislang für die Dorfentwicklung bestimmten Gelder aus der Brüsseler EU-Kasse will er in die Entwicklung der Städte umleiten. Auch wenn er ein Gegeneinander zwischen Dorf und Stadt ablehnt und gemeinsame Programme mit dem Agrarminister andeutet, ist die Botschaft klar: Die Dörfer sollen in Zeiten knapper Kassen sehen, wo sie bleiben.

So viel Ignoranz den Wahlergebnissen gegenüber verwundert. Denn auf dem Lande haben die etablierten Parteien kaum noch große Chancen. Vielerorts finden sie gar keine Kandidaten mehr, von Mitgliedern ganz zu schweigen. Dem Bauernverband und den zahlreichen Bürgerbündnissen gehört das Vertrauen. Letztere tragen solche bezeichnenden Namen wie „Lasst den Kirchturm im Dorf“, „Für ein schönes Dorf“ oder „Rettet die Uckermark“. Sie wollen die ländlichen Regionen nicht in Vergessenheit geraten lassen, um so die Spirale aus Verarmung und Abwanderung zu stoppen.

Mag das ein Ministerium oder eine Regierungskoalition noch nicht überzeugen, dann lohnen vielleicht einige genaue Blicke in die Statistik. Die ländlichen Regionen machen 90 Prozent der Brandenburger Landesfläche aus und zwei Drittel der Menschen sind hier zu Hause. Die lassen sich nicht einfach abschreiben. Gerade die Dörfer ziehen auch Ausflügler an und bringen so Geld in die Landeskasse. Großstädter aus Berlin, das im Grunde genommen aus vielen kleinen Städten besteht, genießen die ländliche Idylle aus Dorfkirche, Anger, Wiesen, Wäldern und einer schönen Kneipe. Gewiss haben manche kleine Orte in den vergangenen Jahren etwas zu stark aus dem Vollen gewirtschaftet. Gepflasterte Fußwege auf beiden Straßenseiten, moderne Laternen bis in den letzten Winkel oder überdimensionierte Kläranlagen mussten nicht sein. Aber da gibt es kaum Unterschiede zur Politik in vielen Städten. Oftmals fehlte eben das richtige Augenmaß.

Doch die Mehrzahl der Dörfer kämpft um jeden Cent – gegen den Verfall der Kirche, für Arbeitsplätze, für die Vereine, für das Dorffest. Denn aus einem armen Ort ohne Kneipe, Laden oder Arztpraxis ziehen auch die jungen Leute fort.

Brandenburg weist inzwischen die geringste Geburtenrate auf. Die Jungen müssen ihr Glück in der Fremde suchen und kehren meistens nie wieder zurück. Das von der Landesregierung gern bediente Argument des fehlenden Geldes zieht gerade auf dem Dorf kaum. Immerhin verkündete der CDU-Wirtschaftsminister am Wochenende, dass er den Lausitzring mit bis 5,8 Millionen Euro unterstützen will. Die moderne und weitgehend mit Steuermitteln gebaute Anlage findet einfach keinen Käufer. Vielen Dörfern würden schon einige Tausend Euro reichen, um mit diesem Eigenanteil in den Genuss eines größeren Förderprogrammes zu kommen.

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