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Brandenburg: Eine strenge Pionierin

Die Alice-Salomon-Fachhochschule hat Jubiläum Doch wer war eigentlich die Namensgeberin?

Ilse Eden hat die Frau als „ein bisschen streng“ in Erinnerung. „Ich glaube, meine Mutter hatte Angst vor ihr“, sagt die zierliche 80-Jährige. Sie ist zum 100. Jubiläum der Alice-Salomon-Fachhochschule (ASFH) nach Berlin gekommen. Die Namensgeberin war ihre Großtante – und für Ilse Eden ist das eine Gelegenheit, mehr über ihre Vorfahrin zu erfahren.

Ilse Eden hat an die Stadt nicht nur gute Erinnerungen: 1939 musste sie mit einem Kindertransport nach England ausreisen, die Mutter kam nach. 1947 ging es weiter in die USA, wo sie Sozialarbeit studierte. Damit trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter, die an der Schule von Alice Salomon Kurse in Sozialarbeit besucht hatte und später deren Neffen heiratete. Bis 2006 hat Ilse Eden in diesem Beruf gearbeitet, in einer Klinik in Berkeley.

Zum 100-jährigen Jubiläum der Alice-Salomon-Fachhochschule sind auch andere Großnichten und -neffen nach Berlin gekommen – um am Festprogramm teilzunehmen, die ehemalige Arbeitsstätte der Großtante zu besuchen und auch, um neue Verwandte kennenzulernen. Denn die Nachkommen ihrer Geschwister haben sich in verschiedenen Teilen der Welt niedergelassen: Einige leben in der Schweiz, andere in Südamerika.

Margalith Warton, die Enkelin von Alices Schwester Käthe, kam in Palästina zur Welt und lebt heute in Tel Aviv. Die Gymnastiklehrerin hat Alice Salomon Ende der dreißiger Jahre getroffen und ganz anders in Erinnerung als Ilse Eden, sie fand sie „schrecklich nett“. An viel mehr erinnert sich die sportliche Dame nicht: „Ich war ja noch sehr jung“, sagt sie mit leichtem hebräischen Akzent. In Berlin ist die 77-Jährige zum ersten Mal.

Wer genau Alice Salomon war, darauf können sich die Verwandten offenbar nicht wirklich einigen. Und auch viele Berliner wissen es nicht. Dabei kam die Tochter eines jüdischen Lederhändlers hier 1872 zur Welt und eröffnete 1908 in der Karl-Schrader-Straße in Schöneberg ihre soziale Frauenschule: eine der ersten Ausbildungsstätten für soziale Arbeit.

Als Pionierin und Vorreiterin wird Alice Salomon häufig beschrieben, die sich für die internationale Frauenbewegung engagiert hat und schon 1906 – mit einer Arbeit über die ungleiche Bezahlung von Männer- und Frauenarbeit – promoviert wurde. Mit einer Ausnahmegenehmigung. Denn offiziell durften sich Frauen in Deutschland erst ab 1908 an einer Universität einschreiben.

Ihren Geburtsort Berlin musste Alice Salomon 1937 verlassen: Die Gestapo zwang sie zur Emigration und gab ihr 14 Tage Zeit zur Ausreise. Schon 1933 war sie aus allen öffentlichen Ämtern gedrängt worden und hatte Hausverbot auf „ihrem“ Schöneberger Schulgelände. Sie emigrierte in die USA und starb 1948 in New York. Rita Nikolow

Zum hundertjährigen Jubiläum lädt die Alice-Salomon-Hochschule, Alice-Salomon-Platz 5, heute von 14 bis 20 Uhr zum „Tag der offenen Tür“. Mehr Informationen unter: www.asfh-berlin.de

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