zum Hauptinhalt

Brandenburg: Erdbestattung für den Klimakiller

In Ketzin soll Kohlendioxid tief im Untergrund gespeichert werden. Gestern begann die Bohrung

Ketzin - Ortsbürgermeister Bernd Lück hofft sogar auf touristische Effekte. Aber der eigentliche Grund des „CO2-Sink“- Projekts in Ketzin ist der Kampf gegen den Klimawandel. In dem bislang auf dem europäischen Kontinent einzigartigen Vorhaben unter Federführung des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ) soll geprüft werden, ob der Klimakiller Kohlendioxid (CO2) langfristig im Erdboden gelagert werden kann, statt die Atmosphäre aufzuheizen.

Gestern war Bohrstart. Ab Juni dann sollen bis 2009 insgesamt 60 000 Tonnen CO2 – drei Tanklaster pro Tag – in eine Tiefe von 700 Metern gepresst werden – in eine poröse Sandsteinschicht, die von einer undurchlässigen Gips- und Tonschicht bedeckt ist. Das Kohlendioxid wird im Chemiewerk Leuna produziert, wo es bei der Herstellung von Wasserstoff abfällt. Von dort wird es als Flüssiggas in Tanklastwagen nach Ketzin gebracht. Die Gips- und Tonschichten sollen das CO2 wie ein Deckel in der Erde unter der Erde festhalten.

Soweit die Theorie. Ob es tatsächlich so einfach funktioniert, wie es klingt, wollen die Forscher nun in dem von der EU, dem Bund und verschiedenen Unternehmen finanzierten Experiment herausfinden. Das Haupt-Bohrloch wird von zwei Beobachtungsbohrungen flankiert, in denen Sonden messen, wie sich das Kohlendioxid in dem Sandstein verhält. Und ob die Lagerstätte langfristig sicher wäre.

„Wir sind noch am Anfang der Forschung und haben keine gesicherten Erkenntnisse über Risiken und Möglichkeiten“, erklärt GFZ-Chef Rolf Emmermann. Skeptiker kann er allerdings erst einmal beruhigen. Kohlendioxid sei unbrennbar, ungiftig und schwerer als Luft. „Die deckenden Gesteinsschichten sind in der Regel dicht“, erklärt er. Sollte doch CO2 austreten, werde es sich an der Oberfläche mit der Luft vermischen. „Es werden keine Kühe umfallen“, versichert Emmermann. „Unser Experiment ist sehr vorsichtig, wir nutzen nur knapp ein Prozent der möglichen Lagerkapazitäten aus“, sagt der Geologe.

Womit allerdings auch klar wird, dass „CO2-Sink“ nur ein Forschungsprojekt ist, noch sehr weit entfernt von einem Heilmittel für das Weltklima. Denn die CO2-Mengen, die durch die Energiegewinnung derzeit noch frei werden – allein in Deutschland jährlich hunderte Millionen Tonnen – bräuchten erhebliche Lagerkapazitäten. Solche gibt es zwar nach Ansicht der Geoforscher gerade im norddeutschen Sedimentgestein reichlich. Aber um die Sache auch effizient zu machen, müssten die Kraftwerke da gebaut werden, wo Lagerstätten vorhanden sind. Pipelines wären zu teuer; lange LKW-Fahrten ihrerseits klimaschädlich.

Emmermann stellt auch klar, dass das Verfahren nur eine Übergangslösung sein könne: bis erneuerbare Energien und andere CO2-freie Energietechnik irgendwann die fossilen Brennstoffe ablösen. Umweltschützer des BUND kritisieren zudem, dass die Abtrennung von CO2 aus den Abgasen der Kraftwerke deren geringen Wirkungsgrad weiter verringere. Es solle besser in Anlagen mit Kraft-Wärme- Kopplung investiert werden.

Dennoch planen auch die Energiekonzerne Vattenfall und RWE Kraftwerke, bei denen das CO2 nach der Kohleverbrennung abgetrennt und in die Erde gepresst werden soll. 2008 könnte das Pilotprojekt von Vattenfall in Spremberg in Betrieb gehen.

Jan Kixmüller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false