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Brandenburg: Frankfurt an der Sonne

Der Bürgermeister erwartet ein tolles Jahr: Morgen wird in der Oderstadt die erste von drei Solarfabriken eröffnet

Frankfurt (Oder) - Die Eintragungen in der Agenda von Martin Patzelt sind selten so angenehm, wie in dieser 16. Kalenderwoche: Für den Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) geht es häufig um den Abriss leer stehender Wohnblocks, um Abwanderung und andere soziale Mühen einer Stadt, die den Mangel an Arbeitsplätzen verwaltet. In dieser Woche aber stehen im Kalender Termine wie der Besuch der Hannover-Messe, wo sich seine Stadt seit Jahren erstmals wieder mit einem eigenen Stand präsentiert; ein Besuch als Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages in Brüssel, wo die Europäische Kommission gerade erst Regionalhilfen in Höhe von 76 Millionen Euro für eine Solarfabrik in der Halle der nie gebauten Chipfabrik bewilligt hat – und schließlich ein schöner Termin morgen: Der Produktionsstart der ersten der drei in Frankfurt geplanten Solarfabriken.

Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) feiern gemeinsam mit Martin Patzelt (CDU) die Millioneninvestition der Firma Odersun AG und 60 neue Arbeitsplätze im Technologiepark am Stadtrand. Die etwa 2200 Quadratmeter große Solarfabrik „Sun One“ sei in nur einem Jahr hochgezogen worden, sagt der kaufmännische Odersun-Vorstand Ramin Lavae Mokhtari nicht ohne Stolz. Die Firma will eine im benachbarten Frankfurter Institut für Solartechnologien (IST) entwickelte und weltweit patentierte Technologie umsetzen. In der neuen Halle werden einen Zentimeter breite und nur 0,1 Millimeter dünne Solarbänder auf Kupferbasis produziert, die dann auf beliebige Länge geschnitten und verklebt werden können.

Und das soll ja erst der Anfang sein: „Wir haben ein tolles Jahr vor uns, schließlich eröffnen hier gleich drei Solarunternehmen ihre Produktionsstätten“, sagt der Sprecher der Stadt, Heinz-Dieter Walter. Denn noch zwei weitere Firmen der boomenden Branche, First Solar und Conergy, öffnen bald in Frankfurt ihre Pforten – und wollen noch viel mehr Jobs schaffen. Die Rede ist von mehr als 350 Millionen Euro als Investitionssumme und bis zu 1500 Arbeitsplätzen. Das könnte den Aufschwung für das geschundene Frankfurt bedeuten. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) spricht schon vom „Solarfieber“ – auch wenn man im Büro des Bürgermeisters noch etwas nüchterner ist. „Wir sind hier alle ein bisschen vorsichtiger geworden“, sagt Sprecher Walter und erinnert an die großen Versprechungen und schließliche die Pleite der Chipfabrik vor vier Jahren. Doch in der Solarwirtschaft lägen die Dinge heute anders, sagt der Wirtschaftsprofessor Hermann Ribhegge von der örtlichen Viadrina-Universität. Die Unternehmen, die jetzt in Frankfurt investieren wollten, hätten sich bereits am Markt bewährt. Und die Prognosen für das weitere Wachstum dieser Branche seien positiv.

Optimistisch ist auch das kommunale Wohnungswirtschaftsunternehmen (Wowi), wo man „jeden neuen Mieter gerne empfängt“, wie Sprecherin Marina Ansorge sagt. Die Wowi hat eigens für die Angestellten der Solarbranche, die künftig von außerhalb zur Arbeit nach Frankfurt pendeln, zehn kleine möblierte Wohnungen eingerichtet. Obwohl man auch davon ausgehe, dass in den Fabriken zunächst Menschen Arbeit finden, die hier aus der Region kommen und bereits eine Wohnung besitzen.

Bei der für die Solarbranche zuständigen Industriegewerkschaft Metall setzt man vor allem auf den Rückkehreffekt – darauf, dass viele, die Frankfurt einst verließen, wegen der neuen Arbeitsplätze zurückkehren. „Denn eines ist klar, so viele qualifizierte Leute, wie die hier brauchen, gibt es gar nicht in der Stadt“, sagt der IG-Metall-Bevollmächtigte Peter Ernsdorf, der den Arbeitsmarkt in der Stadt seit der Wende verfolgt.

Hoffnung macht die Entwicklung Frankfurts zum Solarstandort auch auf der anderen Oderseite, in der polnischen Nachbarstadt Slubice. Hier wissen die Passanten in der kleinen Fußgängerzone bereits Bescheid über den bevorstehenden Solarboom, von dem sie in der örtlichen Zeitung „Gazeta Lubuska“ gelesen haben. Die Erwartungen sind klar: „Hoffentlich fällt bald unser Arbeitsverbot für Deutschland. Dann gibt es dort vielleicht auch Jobs für unsere Leute: Wenn sie Deutsch sprechen und eine gute Ausbildung haben“, sagt eine junge Frau.

Olaf S, ermeyer

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