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Aschraf Ghani, Afghanistans demokratisch gewählter Präsident, der durch die Machtübernahme der Taliban im August 2021 sein Amt verlor.

© REUTERS/Stringer

Taliban-Diktatur in Afghanistan: Was wurde aus Ex-Präsident Aschraf Ghani?

Im August 2021 floh er per Hubschrauber – im Gepäck viele Dollar. Aschraf Ghani sagt, er wolle zurück nach Afghanistan. Dass es dazu kommt, ist höchst unwahrscheinlich.

1 Flucht per Hubschrauber

Viele Afghanen warfen Präsident Aschraf Ghani Verrat vor, nachdem er am 15. August 2021 mit dem Hubschrauber aus Kabul nach Tadschikistan geflohen war, als die radikal islamistischen Taliban in die Hauptstadt einmarschierten. Später boten die Vereinigten Arabischen Emirate dem heute 73-Jährigen Schutz an. Dort lebt er bis heute.

Nur wenige Stunden vor der Flucht aus Kabul hatte er per Videobotschaft verkündet, dass die afghanischen Sicherheitskräfte sich koordinieren und kämpfen würden. Doch sie taten es nicht, als die radikal islamistischen Taliban in der Hauptstadt einmarschierten. Ghani hat seitdem in Interviews betont, er wolle vermeiden, dass es zu blutigen Kämpfen komme, zudem habe man ihn gewarnt, dass seine Sicherheit nicht mehr zu gewährleisten sei. Über sein jetziges Leben und seine Ambitionen ist nur wenig bekannt.

Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren nach ihrer Machtübernahme durch Kabul.
Schwer bewaffnete Taliban-Kämpfer patrouillieren nach ihrer Machtübernahme durch Kabul.

© dpa/AP/Rahmat Gul

Ghani wurde nach der Flucht vorgeworfen, er habe Dutzende Millionen Dollar entwendet. US-Gremien haben dies geprüft und ihn teilweise entlastet, es seien 500.000 bis eine Million Dollar gewesen. Die Gerüchte, dass es nur deshalb nicht mehr Geld war, weil nicht mehr in den Hubschrauber passte, blieben.


2 Ghani und die Amerikaner

Die Position des afghanischen Präsidenten war schwach – weil sowohl Ex-Präsident Donald Trump als auch der amtierende Präsident Joe Biden Amerikas längsten Krieg unbedingt beenden wollten. Ghani war an den Verhandlungen der USA mit den Taliban in Doha nicht beteiligt, stattdessen hatte er noch im Frühjahr 2021 einen eigenen Friedensplan vorgelegt.

Thomas Ruttig, einer der besten Kenner Afghanistans, der unter anderem für die Plattform „Afghanistan Analysts Network“ arbeitet.
Thomas Ruttig, einer der besten Kenner Afghanistans, der unter anderem für die Plattform „Afghanistan Analysts Network“ arbeitet.

© Privat / Der Tagesspiegel

Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig urteilte damals auf der Plattform „Afghanistan Analysts Network“, dass der Plan „definitiv kein politischer Durchbruch für Frieden“ sei, weil die Positionen nicht ausreichten, „um die Kluft zu den Taliban zu überwinden“.

Ruttig weiter: „Die Taliban werden keine Rolle Ghanis akzeptieren.“ Der wollte einen Waffenstillstand mit internationaler Absicherung, eine Übergangsregierung und spätere Neuwahlen sowie die Aufrechterhaltung der afghanischen Armee.

Am 23. März 2021 sagte die US-Botschafterin bei den UN, Linda Thomson-Greenfield, ein Friedensabkommen müsse die Errungenschaften der afghanischen Frauen und Mädchen bewahren und die Menschenrechte respektieren. In dieser Frage würden die USA „keinen Millimeter nachgeben“. Ghanis Plan spielte keine Rolle mehr – und die Taliban wussten, dass die USA sie nicht mehr aufhalten würden.


3 Die Zukunft Afghanistans

Thomas Ruttig sagt heute über Ghani, dessen fortgesetzte Tätigkeiten in den sozialen Medien würden darauf hindeuten, dass er sich noch als jemanden sieht, „der wieder eine Rolle spielen sollte“. Realistisch ist ein Comeback Ghanis nicht. Es gibt zurzeit keine mittelfristige Aussicht auf einen Regimewechsel.

Verschiedenen Exilorganisationen gehören zwar auch Männer an, die zu Ghanis Umfeld zählten. Doch Ruttig geht davon aus, dass Ghani hier eher keine Rolle spielen solle. Die Taliban bauen derweil ihre Wirtschaftsbeziehungen zu China aus. Es geht um Ressourcen wie Lithium, Kobalt, Kupfer, Gold, Erdgas und Öl. Die „Neue Seidenstraße“ soll auch Afghanistan einschließen. Das hat Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi im Januar betont. Ob eine wirtschaftliche Konsolidierung dazu beiträgt, dass die Taliban nach innen liberaler werden, ist ungewiss.

Ebenso unklar ist Ghanis Zukunft. Der „Bild“-Zeitung sagte er im August 2022, er würde „zu gerne zurückkehren“, die Geschichte seiner Familie in Afghanistan sei 500 Jahre lang. Ihre Fortsetzung spielt allerdings voraussichtlich im Exil.

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