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Hochwasser: Oder-Pegel leicht gesunken - Situation bleibt angespannt

Der Pegel der Oder sank erstmals seit Tagen, doch die Alarmstufe bleibt unverändert. Auch in anderen Teilen Deutschlands kämpfen die Menschen mit den Fluten.

Die Wasserstände auf der Oder bei Hohensaaten-Finow in Brandenburg sind am Samstag erstmals seit Tagen wieder leicht gesunken. Der Pegel ging binnen 24 Stunden um sechs Zentimeter auf 7,46 Meter zurück, wie das Landesumweltamt mitteilte. Die Lage bleibt dennoch äußerst angespannt. Der Wert liegt immer noch fast einen Meter über dem Richtwert für die höchste Alarmstufe 4.

Angesichts des Tauwetters erwartet das Umweltministerium auch einen Anstieg der Wasserstände auf Schwarzer Elster und Spree in Südbrandenburg. Am Pegel Spremberg (Spree) und an einigen Pegeln der Schwarzen Elster muss in den nächsten Tagen mit dem Überschreiten der Richtwerte der Alarmstufe 3 gerechnet werden.

Wettrennen der Eisbrecher

Das Tauwetter bedeutet im Hochwassergebiet entlang der Oder nordöstlich Berlins sowohl Segen als auch Fluch. Schließlich kann mit den steigenden Temperaturen die deutsch-polnische Eisbrecherflotte endlich von Stettin aus die geschlossene Eisdecke zerkleinern, damit das Wasser wieder ungehindert in das Oderhaff und die Ostsee gelangt. Bei Frost macht ihr Einsatz nur wenig Sinn, weil die gebrochenen Eisstücke dann immer wieder zusammenfrieren und neue Barrieren bilden. Allerdings liegt vor den schweren Schiffen ein rund 27 Kilometer langer Weg durch bis zu zwei Meter starkes Eis. Erst bei Hohensaaten am nördlichen Rand des Oderbruchs ist der Fluss wieder frei. „In zwei Tagen müssten sie es geschafft haben“, sagt der Chef des Brandenburger Landesumweltamtes Matthias Freude. „Genauso lange brauchen aber auch die Eisschollen aus der Warthe, die von einem 70 Kilometer langen Eispanzer bedeckt ist.“ Das sei die problematische Seite des Tauwetters. Wenn sich das Eis auf der Warthe, die bei Küstrin in die Oder mündet, erst einmal losreiße, müssten die Wasser- und Eismassen möglichst ungehindert in Richtung Ostsee abfließen.

Freude spricht von einem „dramatischen Wettlauf“ zwischen Eisbrechern aus dem Norden und dem Warthe-Eis aus dem Süden. Entschieden wird es im Laufe des heutigen Sonnabends oder des morgigen Sonntags. Im schlechten Fall würde das Wasser die Deiche überspülen und weite Landstriche zwischen Hohensaaten, dem Oderbruch und Küstrin überschwemmen. Betroffen wären rund 15 000 Menschen und mehrere Zehntausend Tiere. Mit 25 000 Sandsäcken wollen die Einsatzkräfte im Notfall versuchen, das Wasser im Flussbett zu halten. „Die Lage ist angespannt, aber noch stabil“, hieß es im Hochwassermeldezentrum in Frankfurt. Die Oder weise in Hohenwutzen derzeit einen Pegelstand von 7,51 Metern auf, normal sind hier 3,34 Meter. Beim großen Sommerhochwasser 1997 wurden 7,46 Meter als Höchststand gemessen. Inzwischen sind die meisten Zufahrtsstraßen an den Deichen sowie quer durch das Oderbruch von Eis befreit. Einwohner und Landwirte mit ihren Tieren könnten somit rasch in höher gelegene Gebiete ausweichen.

Verkehr läuft besser

Durch das Tauwetter entschärft sich auch die Situation auf den Autobahnen. Denn in ganz Brandenburg gibt es zu wenig Streusalz. „Wir haben mit unserem Händler in Bernburg in Sachsen-Anhalt eine tägliche Liefermenge von 4500 Tonnen vereinbart, erhalten aber nur 1000 Tonnen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Brandenburger Landesbetriebes Straßenwesen, Hans-Reinhard Reuter. „Die Kapazitäten des Lieferanten reichen für diesen ungewöhnlichen Winter einfach nicht aus.“ Jeder Tag ohne Glatteis sei eine große Erleichterung. Für den nächsten Winter will Reuter weitere Streusalzlager anlegen. Im Dezember und Januar seien auf Brandenburger Autobahnen sowie Bundes- und Landesstraßen schon 55 000 Tonnen Auftausalz gestreut worden. Im gesamten Winter 2009/2010 waren es insgesamt 87 000 Tonnen. 2006/2007 lag die Menge noch bei 19 000 Tonnen.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern halten sich die Frostschäden auf den Brandenburger Straßen noch in Grenzen. „50 Prozent der Autobahnen sind tadellos, auf der anderen Hälfte müssen wir Löcher flicken“, sagt der Vorstandschef. „32 Prozent der Bundesstraßen sind beschädigt.“ Das Hauptproblem stellen aber die Ortsdurchfahrten dar, von denen sich nur ein Drittel noch in einem guten Zustand befindet.

Lage bleibt kritisch

Regen und Schneeschmelze haben die Pegelstände vieler Flüsse in Deutschland auch am Samstag weiter steigen lassen. In Zell in Rheinland-Pfalz schwappte das Moselhochwasser am Vormittag über einen Hochwasserdamm in die Stadt. „Es ist eine Frage der Zeit, bis die ersten Keller volllaufen“, sagte ein Polizeisprecher. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Trier betonte, die Lage sei „überall“ kritisch. „Die ganze Mosel ist von Anfang bis Ende extrem belastet.“ In Koblenz, wo die Mosel am Deutschen Eck in den Rhein fließt, rechnete die Feuerwehr mit dem schlimmsten Hochwasser seit zehn Jahren. Teile der Altstadt könnten überflutet werden. Für Montag sei ein Ansteigen des Wassers auf 7,50 bis 8 Meter „nicht auszuschließen“, meldete die Hochwasserzentrale. Bereits am Freitag war der Schiffsverkehr auf Neckar und Mosel eingestellt worden. Auch auf Abschnitten des Rheins drohte der Stopp.

In Köln verschärfte sich die Hochwasserlage. Der Pegelstand des Rheins werde wohl bis Sonntagmorgen auf über 8,30 Meter steigen, sagte eine Sprecherin der Hochwasserschutzzentrale Köln. Am Samstagvormittag stand das Wasser bei 6,70 Metern, der Rhein stieg zeitweise um etwa 10 Zentimeter pro Stunde. Der Höchststand werde am Montag oder Dienstag erwartet, 9 Meter seien dann nicht auszuschließen. Bei Ratingen nahe Düsseldorf rutschte ein vom Regen aufgeweichter Hang auf eine Landstraße.

Polizei muss in Bayern Straßen sperren

In Thüringen verlängerte der Deutsche Wetterdienst seine Warnung vor starkem Tauwetter bis Sonntagabend. Fluss- und Bachläufe könnten über die Ufer treten und Straßen überfluten. Die Ilm in Mellingen im Weimarer Land und die Sprotte im ostthüringischen Großstöbnitz überschritten bereits am Samstagvormittag die höchste dortige Alarmstufe 3. Am Fluss Gera im Süden von Erfurt und an der Nesse in Eisenach galt Alarmstufe 2.

Die Polizei im bayerischen Bamberg musste überschwemmte Straßen sperren, unter anderem die Autobahn 73 von Bamberg Richtung Suhl. Die Pegelstände in Mittelfranken erreichten am Vormittag stellenweise die höchste Warnstufe Vier. Besonders betroffen waren die Bereiche Schwabach und Erlangen. Auch entlang der Aisch und des Mains mussten Straßen gesperrt werden.

In Sachsen-Anhalt bereitete vor allem die Lage an der Weißen Elster Sorgen. Im Burgenlandkreis erreichte der Wasserstand Alarmstufe drei. „Das Wasser ist innerhalb von 24 Stunden um 1,20 Meter rasant gestiegen“, hieß es beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz. Auch andere Flüsse schwollen heftig an - und zumindest bis Montag ist keine Besserung in Sicht. Ähnlich sah die Situation in Sachsen aus.

In Niedersachsen und Bremen führten ebenfalls einige Flüsse Hochwasser, die Lage blieb zunächst aber entspannt. In Hessen waren kleinere Straßen gesperrt, Keller liefen voll Wasser. Größere Probleme gab es nach Polizeiangaben zunächst nicht. Allerdings wurde ein weiteres Ansteigen des Mains erwartet.

Land unter in Belgien

Flüsse im Süden Belgiens wie die Maas treten wegen der Schneeschmelze und starker Niederschläge über die Ufer. Wie die Nachrichtenagentur Belga am Freitagabend berichtete, musste der Zivilschutz eingreifen. In Rochefort in den Ardennen verteilten die Behörden Wasserflaschen an die Bevölkerung, weil das Trinkwasser verschmutzt ist. In Esneux retteten Feuerwehrmänner und Taucher bis zu 150 Menschen, die auf einem Campingplatz von den Fluten überrascht worden waren. (mit dpa/dapd)

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