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Li Qiang bei der Ankunft am Flughafen Berlin-Brandenburg.

© dpa/Xinhua News Agency/Huang Jingwen

Deutsch-chinesische Regierungsgespräche: Traut euch was!

Zum ersten Mal seit der Pandemie finden die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen wieder persönlich statt. Kanzler Scholz muss dabei die europäischen Interessen klar ansprechen.

Ein Kommentar von Viktoria Bräuner

Reizthemen vermeiden und besser darauf setzen, worin Einigkeit besteht – so könnte man die deutsche China-Politik der vergangenen zwei Jahrzehnte zusammenfassen. Viel verändert hat sich an diesem Ansatz bis heute nicht, trotz enormer Veränderungen in China selbst.

Das Land ist in der von Partei- und Staatschef Xi Jinping seit seiner Machtübernahme 2012 ausgerufenen „neuen Ära“ nach innen repressiver und nach außen aggressiver geworden. Hierzu muss sich die Ampel in der neuen China-Strategie klar positionieren.

Das neue Strategiepapier wäre die ideale Grundlage gewesen für die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die an diesem Montag mit ersten Treffen beginnen. Doch SPD, Grüne und FDP konnten sich nicht rechtzeitig auf eine finale Version einigen; lange waren sie uneins, wie deutlich darin die deutsche Position etwa zu Chinas Drohungen gegen Taiwan formuliert werden sollte.

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Millionen Menschen schickte Chinas Premierminister im Frühling 2022 als Parteichef von Shanghai in den Lockdown.

Nun scheint das Papier fertig zu sein, wird aber voraussichtlich erst nach den Gesprächen mit Peking veröffentlicht. Denn es soll ja gut laufen, wenn Li Qiang seine erste Auslandsreise als chinesischer Premierminister antritt und dann auch noch Deutschland zum Ziel hat. Kanzler Olaf Scholz wolle den neuen Kollegen erst einmal kennenlernen, heißt es. Aber ist jetzt die Zeit für Wohlfühltreffen?

Lis Karriere hielten viele für beendet

Li gilt als enger Vertrauter von Xi, er ist Loyalist. Einer, der macht, was ihm gesagt wird. Die 26 Millionen Einwohner der Stadt Shanghai kennen ihn besonders gut. Als sie im Frühjahr 2022 teils monatelang zu Hause eingesperrt wurden, lag die Verantwortung beim Parteichef der Stadt: Li Qiang.

Kurz vor dem Lockdown wurden „Gerüchte“ dementiert und strafrechtlich verfolgt, Hamsterkäufe sollten verhindert werden. Als die Stadt zwei Tage später dichtmachte, hatte kaum jemand genug Essen zu Hause – und es dauerte, bis die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten anlief. In den Krankenhäusern herrschte Chaos.

Die Menschen litten, die Wirtschaft stand still. Corona kam am Ende trotzdem zurück ins Land. Das war’s mit Lis Karriere in der Kommunistischen Partei (KP), munkelten viele. Doch statt ihn auf dem Parteitag im Oktober für seine politischen Fehlentscheidungen in Shanghai zu bestrafen, beförderte Xi Jinping seinen alten Weggefährten auf Platz zwei in Chinas Machtzentrale, dem Politbüro der KP. Im März dann wurde Li erwartungsgemäß zum Premierminister ernannt.

Was Chinas Delegation erreichen will

Er und seine Delegation werden in Berlin die Zeit zurückdrehen wollen und vermeintlich auf Entspannung setzen: gemeinsames Engagement gegen den Klimawandel, gepaart mit einigen Wirtschaftsdeals. Dazu noch deutliche Kritik an den USA – und fertig. Doch so einfach ist es nicht. Chinas Unterstützung für Russland verlängert Wladimir Putins Angriffskrieg in der Ukraine jeden Tag.

Bis heute hat Xi Russlands Aggression nicht verurteilt, sieht die Schuld bei den USA und der Nato. Das chinesische Angebot zu vermitteln, mag ein winziger Schritt in die richtige Richtung sein. Aber das reicht bei Weitem nicht aus. Die Parteiführung ist nicht in der Lage zu verstehen, was für eine existenzielle Bedrohung Moskaus Angriff auf Kiew für Deutschland und Europa bedeutet. Zu sehr ist Peking auf den Systemkampf mit Amerika fixiert.

Es muss um Russland und Taiwan gehen

Scholz muss in seinen Gesprächen mit Li die europäischen Interessen klar ansprechen. Jeder Minister sollte das. Auch Taiwan muss thematisiert werden. Bei seinem Antrittsbesuch in Peking vergangenen November hatte Scholz bereits vor einer „militärischen Invasion“ gewarnt.

Doch auch jetzt muss deutlich werden: Ein Angriffskrieg Chinas gegen den demokratischen Inselstaat wäre, wie es Außenministerin Annalena Baerbock bereits im April in Peking formulierte, nicht nur ein „Horrorszenario“, sondern eben auch das Ende der deutschen Beziehungen mit der Volksrepublik, wie wir sie kennen. China würde sich schlagartig isolieren, wie Russland mit seinem Einfall in die Ukraine.

Die Bundesregierung hat die Wahl. Setzt sie weiter auf sanfte Töne und versucht Konflikte zu vermeiden – oder zeigt sie Selbstvertrauen? Chinas Führer artikulieren die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die Gefühle der Gegenseite. Stärke wird respektiert. Deshalb: Seid mutig, traut euch was!

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