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In der Zeit zwischen 1990 und 2009 konnten EU-Abgeordnete Mitglied in einem freiwilligen Pensionsfonds werden.

© Imago/Dwi Anoraganingrum

Luxuspensionen des EU-Parlaments: Ein Schnitt soll Pleite verhindern

Nach einem Beschluss des EU-Parlaments sollen die Auszahlungen aus dem umstrittenen Pensionsfonds um die Hälfte gekürzt werden. Kritiker sehen die drohende Pleite aber nicht abgewendet.

Die Zahlungen aus einem umstrittenen Fonds des EU-Parlaments für Luxuspensionen von Abgeordneten sollen um die Hälfte gekürzt werden. Das beschloss das Präsidium des Parlaments nach einer Sondersitzung und wendete damit die bevorstehende Pleite des Fonds vorerst ab. Die Entscheidung über eine mögliche endgültige Stabilisierung des Fonds mit Steuergeldern wurde aber auf die Zeit nach der Europawahl im kommenden Jahr vertagt.

Fast 1000 ehemalige und gegenwärtige Abgeordnete des Europaparlaments kommen in den Genuss der Pensionen aus dem Fonds, in dem Parlamentarier in den Jahren zwischen 1990 und 2009 Mitglied werden konnten. Zu den Nutznießern gehören unter anderem der britische Rechtspopulist und Brexit-Befürworter Nigel Farage und Marine Le Pen von der rechtsextremen französischen Partei „Rassemblement National“.

Farage und Le Pen gehörten früher dem EU-Parlament an. Das gilt auch für den gegenwärtigen EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der von 2004 bis 2007 Präsident des Europaparlaments war. Borrell ist heute Mitglied der EU-Kommission.

Manche haben sich freiwillig aus der Altersversorgung zurückgezogen

Während der Spanier Borrell bis heute zu den Pensionsberechtigten zählt, haben sich andere freiwillig aus der Altersversorgung zurückgezogen. Dies gilt etwa für den ehemaligen griechischen Europaabgeordneten Margaritis Schinas, der jetzt Vizepräsident der EU-Kommission ist.

Der heutige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gehört zu den früheren Parlamentariern, die Zahlungen aus dem Fonds erwarten können.
Der heutige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell gehört zu den früheren Parlamentariern, die Zahlungen aus dem Fonds erwarten können.

© REUTERS/Piroschka Van De Wouw

Auf der Liste der Pensionsberechtigten steht dagegen weiterhin der ehemalige britische Tory-Europaabgeordnete Christopher Heaton-Harris. Der heute 55-Jährige war von 2004 bis 2009 Abgeordneter in Straßburg – also gerade noch rechtzeitig, um die Segnungen der Luxus-Kasse in Anspruch zu nehmen.

Während die britischen Abgeordneten nach dem Brexit aus dem EU-Parlament ausschieden, hatte Heaton-Harris in der Zwischenzeit in Großbritannien Karriere gemacht. Der Tory-Politiker ist heute Minister für Nordirland.

Besonders pikant: Nach seinem Ausscheiden aus dem EU-Parlament zählte Heaton-Harris zu den führenden Brexit-Befürwortern. Im Februar 2022 ernannte ihn der damalige britische Premierminister Boris Johnson zum „Chief Whip“ der Konservativen – auf diesem Posten sorgte Heaton-Harris dafür, dass Johnson im Unterhaus die nötigen Mehrheiten bei den Tory-Abgeordneten erhielt.

In der Zeit, als Abgeordnete Mitglied in dem Fonds werden konnten, zahlte das EU-Parlament für jeden eingezahlten Euro noch einmal zwei Euro aus Steuermitteln zusätzlich ein. Gemessen an den Beiträgen sind die Pensionen aber ziemlich üppig – sie liegen im Durchschnitt bei über 2000 Euro im Monat. Die Folge: Der Fonds weist gegenwärtig ein Defizit von 310 Millionen Euro auf. Hätte das Parlamentspräsidium jetzt nicht gegengesteuert, wäre es wohl Anfang 2025 zur Pleite des Fonds gekommen.

67 statt 65 Jahre

Nach dem Beschluss des Parlamentspräsidiums soll das Defizit nun auf 86 Millionen Euro gesenkt werden. Damit die finanzielle Schieflage des Fonds gemindert wird, sollen ehemalige Abgeordnete erst im Alter von 67 Jahren ihre Pension erhalten – statt mit 65 Jahren. Zudem wird der Auszahlungsbetrag um die Hälfte reduziert, und die Höhe der Pension soll künftig nicht mehr inflationsbedingt weiterwachsen. Darüber hinaus sollen Pensionsberechtige die Möglichkeit erhalten, gegen eine Einmalzahlung freiwillig ihre Mitgliedschaft in der Alterskasse zu beenden.

Auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski aus Polen steht auf der Liste der Pensionsberechtigten.
Auch EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski aus Polen steht auf der Liste der Pensionsberechtigten.

© AFP/ARIS OIKONOMOU

Laut einem Papier des Parlamentspräsidiums, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird der vom Parlamentspräsidium gefundenen Lösung zur Heraufsetzung des Pensionsalters von 65 auf 67 Jahre ein „mittleres“ rechtliches Risiko bescheinigt. Ein sehr geringes Rechtsrisiko besteht indes aus Sicht des Parlaments darin, dass sich Mitglieder freiwillig aus dem Pensionsfonds gegen eine Ausgleichszahlung zurückziehen.

Wie es aus dem EU-Parlament hieß, wird mit Klagen von Mitgliedern des Fonds beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Kappung ihrer Bezüge gerechnet. Derartige Klagen gab es in den letzten Jahren bereits – und zwar immer dann, wenn Änderungen am Fonds vorgenommen wurden. So beschloss die Spitze des EU-Parlaments im Jahr 2018, das Alter für Pensionsberechtigte von 63 auf 65 Jahre heraufzusetzen.

Wird der Fonds am Ende noch mit Steuergeld stabilisiert?

Nach der Einschätzung des Parlamentspräsidiums würde der jüngste Schnitt bei den Luxus-Pensionen dazu führen, dass der Fonds bis Ende 2027 finanziell über Wasser gehalten werden kann. Laut dem aktuellen Beschluss soll die Spitze des EU-Parlaments Ende 2024 erneut den Finanzbedarf des Fonds unter die Lupe nehmen. Damit bleibt theoretisch auch die Möglichkeit auf der Tagesordnung, dass der Fonds am Ende noch mit Steuergeld stabilisiert wird.

Der Fonds wird weiterhin pleitegehen, nur etwas später.

Daniel Freund, Grünen-Europaabgeordneter

„Die Schritte gehen in die richtige Richtung, aber lösen das Problem nicht abschließend“, sagte der Grünen-Haushaltsexperte Daniel Freund dem Tagesspiegel. „Der Fonds wird weiterhin pleitegehen, nur etwas später“, fügte er hinzu.  Es sei zu befürchten, dass die Parlamentsverwaltung den zu erwartenden finanziellen Schaden als zu gering ansetze.

Um den Fonds möglichst ohne weiteren Schaden für Steuerzahlerinnen und -zahler abwickeln zu können, schlagen die Grünen daher vor, die Rechtsgrundlage aus dem Abgeordnetenstatut zu streichen. Wer bereits anderweitig mit einer Pension versorgt sei, solle aus dem Fond ausscheiden, forderte Freund, insbesondere mit Blick auf aktuelle EU-Abgeordnete und Mitglieder der EU-Kommission.

Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier wies indes darauf hin, dass es vor 2009 im Europaparlament kein Abgeordnetenstatut und daher auch keine europäische Regelung für eine Alterssicherung gab. „Der Pensionsfonds an sich war also nicht falsch, aber falsch konstruiert“, so Geier. „Daher ist es richtig, dass das Präsidium des Europaparlaments überbordende Ansprüche stark beschränkt“, lautet seine Einschätzung.

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