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Aus der Limousine für die Limousine: Der britische Premier Rishi Sunak

© dpa/Aaron Chown

Verbrenner und Fleischessen statt Züge und Mülltrennen: Sunak plant auf dem Parteitag der Tories eine konservative Wende

Der britische Premier präsentiert sich als Mann des Wechsels. Im Kern fährt er jedoch zurück, was seine Vorgänger starteten. Damit wirbt er um von Johnson und Truss enttäuschte Wähler.

Schon der Weg zum Parteitag war schwierig. Wieder einmal streiken die Eisenbahner, so dass Delegierte, Lobbyisten und Berichterstatter an diesem Wochenende Mühe hatten, zum Jahrestreffen der britischen Konservativen in Manchester zu kommen. Am Tagungsort, ausgerechnet einem früheren Bahnhof, mussten sie am Sonntag dann Spießrutenlaufen durch Reihen lautstarker Demonstranten, die den seit Monaten dauernden Ärztestreik unterstützen.

Für Partei- und Regierungschef Rishi Sunak, der vor einem Jahr als fünfter Tory-Premierminister in nur sechs Jahren ins Amt kam, ist die traditionelle Herbsttagung seine erste und womöglich einzige Chance, sein eigenes Bild in der Öffentlichkeit zu verändern und die Aussichten seiner Partei zu verbessern.

Um die steht es schlecht, wenn den Umfragen zu trauen ist: Seit Monaten liegt die oppositionelle Labour-Party unter ihrem wenig charismatischen Chef Keir Starmer um rund zwanzig Prozent vorn, und dies im Jahr vor der nächsten Parlamentswahl.

Sunak gab sich sich unverdrossen, versuchte Optimismus zu verbreiten. Bestand seine ursprüngliche Strategie darin, sich als kompetenten Kontrast zum Chaos unter seinen Vorgängern Boris Johnson und Liz Truss zu präsentieren, trat er in den vergangenen Wochen als Veränderer auf, wie Kabinettsminister Greg Hands dieser Zeitung schon im August offenbarte: Das Land brauche die Veränderung (change), und Rishi Sunak stelle diese Veränderung dar.

20
Prozentpunkte ungefähr liegt die Labour-Party in den Umfragen seit Monaten vor den britischen Konservativen.

Der Ein-Wort-Slogan Change soll wohl das etwas sperrige andere Motto der Konservativen ausgleichen: „Langfristige Entscheidungen zum Wohl des Landes“. Gemeint sind damit einstweilen nur Entscheidungen zur Korrektur vermeintlicher Fehler aus 13 Jahren konservativer Regierungszeit.

Premier als Schutzpatron der Autofahrer

Im Einzelnen bedeutet das die Verwässerung besonders ehrgeiziger Klimaziele, mit deren Hilfe die Insel unter Johnson grüne Investitionen ins Land holen wollte, eiserne Haushaltsdisziplin nach dem Steuerchaos unter der 49-Tage-Premierministerin Liz Truss; die Verkürzung der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen London über Birmingham nach Manchester, mit der David Cameron dem englischen Norden aufhelfen wollte.

Stattdessen präsentiert sich Sunak nun als Schutzpatron der Autofahrer. 30-Kilometer-Zonen in Innenstädten will Sunak ebenso einen Riegel vorschieben wie den umstrittenen Initiativen, aus Wohnvierteln den Autoverkehr weitgehend zu verbannen. Auch Gebühren für alte Diesel- und Benzinautos soll es über London hinaus nicht geben. Er werde dem „Krieg gegen die Autofahrer“ Einhalt gebieten, verkündet der Premier, auch die angeblich geplante „Steuer fürs Fleischessen“ und Abfalltrennung in sechs unterschiedlichen Eimern werde es mit ihm nicht geben.

Nur die Torys können das Durcheinander beseitigen, das die Torys angerichtet haben – also Torys wählen! 

The Spectator, konservatives Magazin

Sunaks Appell an die Wählerschaft bestehe aus einem Paradox, scherzte das konservative Magazin „Spectator“ mit Galgenhumor: „Nur die Torys können das Durcheinander beseitigen, das die Torys angerichtet haben – also Torys wählen!“

Kaum weniger düster sieht Paul Goodman von der einflussreichen Website „Conservative Home“ die Lage seiner Partei. Unter Johnson und Truss hätten die Konservativen ihren Ruf verloren, kompetent zu sein, „den Kern ihres Wähler-Appeals“. Auch Sunaks Aussichten seien schlecht. Da gebe es nur einen Ausweg: sich als „Change“-Kandidaten zu präsentieren. „Aber kann er das wirklich?“

Ex-Premier Truss propagiert Steuersenkungen

Von der Antwort auf diese Frage wird abhängen, ob die konservative Basis, wie von der Führung erhofft, geschlossen und mit Elan in den 2024 anstehenden Wahlkampf zieht. Vorsichtshalber laufen sich in Manchester schon einmal die Kandidatinnen für die Nachfolge bereit: von Bildungsministerin Gillian Keegan über die hart rechten Kolleginnen Kemi Badenoch (Wirtschaft) und Suella Braverman (Inneres) bis hin zu Liz Truss.

Die Ex-Regierungschefin propagiert wie in ihrer Amtszeit vor Jahresfrist, als das Königreich knapp einer Finanzkrise entging, unverdrossen Steuersenkungen – und findet damit Widerhall in der Fraktion. Rund 30 Torys vom rechten Flügel haben öffentlich mitgeteilt, sie würden „weitere Steuererhöhungen“ nicht mittragen.

Da aber Finanzminister Jeremy Hunt das gar nicht plant, ist in Wirklichkeit gemeint: Steuersenkungen müssen vor der Wahl her, egal ob die Haushaltslage das rechtfertigt oder nicht.

Geschlossenheit sieht anders aus. Der Karikaturist Nick Newman fasste den Zustand der Regierungspartei jetzt in einer Zeichnung für die „Sunday Times“ zusammen. Darin erläutert ein Mann seiner Frau, was es mit der TV-Berichterstattung vom Tory-Parteitag auf sich hat: „Es handelt sich um einen Werbespot für die Labour-Party.“

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