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Verteidigungsminister Boris Pistorius besucht mit der niederländischen Kollegin Kajsa Ollongren und Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, eine deutsch-niederländische Brigade.

© picture alliance/dpa/Heiko Becker

DDR-MiGs für die Ukraine: Die Blitzentscheidung von Pistorius macht vor, was normal sein müsste

Die schnelle Exportgenehmigung für die Jets, die Polen aus DDR-Beständen besitzt, setzt einen überfälligen Maßstab für den Umgang mit Verbündeten: zügig, verlässlich und im Zweifel ein Ja.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Diesmal ging es ganz schnell. Im Handumdrehen erteilte der Bundessicherheitsrat Polen die Zustimmung zur Weitergabe von MiG-Kampfjets an die Ukraine. Diese Genehmigung war nötig, weil Polen die Flugzeuge aus DDR-Beständen von Deutschland gekauft hatte.

Das Tempo ist dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu verdanken. Obwohl er gerade auf Truppenbesuch bei deutschen Soldaten in Afrika war, trieb er an, statt zu verzögern. Damit setzt er ein Beispiel für den Umgang mit Verbündeten, wie er normal sein sollte: Es wird zügig entschieden. Und im Zweifel mit einem Ja.

Das war seit Jahren anders. Und beschädigte das Ansehen Deutschlands als Alliierter. Exportgenehmigungen wurden skeptisch beäugt und verschleppt. Das für Deutschland peinlichste Beispiel aus der Zeit des Ukrainekriegs: Aus Rücksicht auf den linken Flügel der SPD verhinderte Kanzler Olaf Scholz über viele Monate, dass sich der Bundessicherheitsrat mit Anträgen auf Lieferung deutscher Leopard-Panzer für die Ukraine befasste.

Scholz verzögerte Entscheidung über Leopard-Panzer

Der erste Antrag stammt aus dem April 2022. Die erste Genehmigung kam Anfang Februar 2023. Zwei Wochen zuvor war Pistorius Verteidigungsminister geworden.

Natürlich darf und soll die Bundesregierung entscheiden, wer Waffen aus Deutschland erhält. Und auch, an wen sie weitergegeben werden. Sie darf und muss Nein sagen, wenn ernsthafte Bedenken dagegen sprechen. Es ist auch fraglich, ob die Ukraine Kampfjets dringend braucht.

Aber die Mitglieder des Bundessicherheitsrats müssen ein Grundverständnis haben und in ihrem Handeln belegen: Deutschland ist weder neutral noch eine autonome Insel in Europa, die nach eigenem Gutdünken handeln kann.

Nato-Partner erwarten deutsche Bündnistreue

Deutschland gehört Bündnissen an, voran der Nato und der EU. Mit der Entscheidung, ihnen beizutreten und ihnen angehören zu wollen, sind Rechte und Pflichten verbunden. Das schränkt die Entscheidungsfreiheit, die in der Theorie umfassend bleibt, in der Praxis ein.

Die Partner müssen sich auf Deutschlands Bündnistreue verlassen können, wie auch Deutschland umgekehrt auf die Bündnistreue der Partner zählt. Man braucht schon sehr, sehr gute Gründe, wenn man einem Nato-Verbündeten eine Genehmigungsbitte abschlagen möchte. Gründe, die in den Augen einer klaren Mehrheit der Alliierten valide sind. Fehlen die, verliert man unausweichlich an Ansehen.

Auch da gibt es ein krasses Beispiel: Deutsche Soldaten mussten mehrfach aus der gemeinsamen Awacs-Luftüberwachung und aus Nato-Marine-Operationen aussteigen, weil der Bundestag mit dem Mandat für die aktuellen Einsätze zögerte oder es verweigerte, etwa in Afghanistan und im Libyenkrieg. Awacs ist gemeinsames System von 17 Nato-Staaten. Deutschland stellt ein Drittel der Besatzungen. Verweigert es die Teilnahme, können die Verbündeten Awacs nicht umfassend nutzen.

Rühe: Militärsysteme gehören uns nicht alleine

Boris Pistorius knüpft mit seinem Amtsverständnis an Überlegungen eines Amtsvorgängers an. Volker Rühe (CDU) hatte in einer nach ihm benannten Kommission 2014/15 Antworten gesucht, wie sich nationale Entscheidungsrechte wie der Parlamentsvorbehalt bei Einsätzen der Bundeswehr mit dem Ziel einer verlässlichen gemeinsamen Sicherheit vereinbaren lassen.

Rühes Vorschlag: Die Deutschen müssen sich durch eine jährliche Debatte im Parlament bewusst machen, dass sie zum Kern eines Bündnissystems gehören und die gemeinsamen Einheiten „uns nicht allein gehören“. Wenn sie mit einem Nein im Einzelfall ihren Alliierten den Gebrauch eines gemeinsamen Systems erschweren, werden immer weniger Verbündete mit Deutschland gemeinsame Einheiten bilden und gemeinsame Rüstungsprojekte angehen wollen.

Ohne diese europäische Verteidigungsgemeinschaft und ohne Deutschland als ein sie tragender Pfeiler kann es auf Dauer keine Sicherheit in und für Europa aus eigener Kraft geben. Dann würde Europa auf ewig von den USA abhängig bleiben – oder, wenn die sich abwenden, schutzlos werden.

Deshalb gehört die Devise – über Bitten Verbündeter wird rasch entschieden und in der Regel zustimmend – zum Kern der nationalen Interessen.

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