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Brandenburg: Kein Freund und Helfer

Eine Ausstellung soll die Rolle der Polizei im NS-Staat ausleuchten

Oranienburg - Die Polizei war ein wesentlicher Pfeiler des Terrorregimes im Dritten Reich, von der Gestapo bis zum einfachen Wachtmeister. Erstmals wird diese düstere Geschichte nun für eine Ausstellung im Berliner Deutschen Historischen Museum (DHM) aufgearbeitet, die von Bund und Ländern getragen wird. Die Idee zu diesem Projekt – wie auch bereits vorher zu einem eigenen, themenbezogenen Lehrfach für angehende Polizeischüler – kommt aus Oranienburg.

Der Initiator sitzt in einem kleinen Büro am Rande des einstigen Konzentrationslagers Sachsenhausen: Detlef Graf von Schwerin, der frühere Potsdamer Polizeipräsident. „Bis in die neunziger Jahre wurde das Thema intern nicht angegangen und vertuscht“, sagt er. Das hat sich geändert: Nun ist für 2011 eine Ausstellung im Pei-Bau des DHM geplant, und auch der Unterricht für angehende Beamte wurde ergänzt.

Von Schwerin leitet seit Anfang 2007 das Zentrum für Zeitgeschichte an der brandenburgischen Polizei-Fachhochschule in Oranienburg. Sie wurde 2006 ausgerechnet dort angesiedelt, wo die SS-Wachtruppen für das KZ Sachsenhausen ihre Kasernen hatten. Anfangs bekamen die Polizeischüler Geschichtsunterricht am ehemaligen Ort des Schreckens. Doch von Schwerin reichte das nicht.

Inzwischen gibt es ein Pflichtfach „Polizeigeschichte im NS-Staat“ in Oranienburg, von Schwerin hat die Lehrpläne dazu ausgearbeitet. „Das ist in Deutschland fast einmalig“, erzählt er. „In anderen Bundesländern bis auf Niedersachsen ist das nicht existent“, das habe er durch eine Umfrage erfahren.

Lob kommt von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU): „Die verbindliche Integration des Themas in die Polizeiausbildung wie in Brandenburg ist bundesweit einmalig. Polizeihochschulen anderer Länder haben großes Interesse an dem Konzept.“ Hamburg beispielsweise hielt 2007 Seminare in Oranienburg ab.

Gemeinsam mit der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster hat von Schwerin die Idee zu der Ausstellung in Berlin entwickelt, um die anderen Bundesländern zu drängen, sich ebenfalls stärker mit dem Thema auseinanderzusetzen – und „weil sie das Thema erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht“. Schließlich segneten Innenminister Schönbohm und seine Ressortkollegen aus Bund und Ländern das Projekt im April ab. 1,3 Millionen Euro lassen sie sich die Ausstellung kosten, 950 000 Euro tragen die Länder, den Rest übernimmt der Bund. Experten erwarten bereits, dass die Schau eine Dimension wie vor einigen Jahren die Wehrmachtsausstellung haben werde, die aber nicht aus Militärkreisen initiiert wurde, während diesmal die Polizei selbst sich ihrer Geschichte stellt.

„Historische Forschungen belegen, dass sowohl die damalige Ordnungs- als auch die Kriminalpolizei Handlanger der Vernichtung waren“, sagte Schönbohm gegenüber dem Tagesspiegel. „Die Rolle der Polizei in der NS-Zeit ist zwar schon im Rahmen von Ausstellungen zur Polizeigeschichte thematisiert worden. Eine eigenständige und umfassende Ausstellung zum Thema existiert bislang aber nicht. Deshalb habe ich in der Innenministerkonferenz die Initiative für das Ausstellungsprojekt ergriffen.“

Auch aus dem DHM heißt es, zum Thema Polizei im NS-Staat könne noch einiges getan werden. Museumssprecher Rudolf Trabold lobte von Schwerin als „die treibende Kraft“. Der Historiker selbst gibt sich bescheiden. Wie wichtig das Thema für angehende Polizisten sei, zeige ein Fall aus Sachsen-Anhalt. Polizeibeamte waren im Juni 2006 nicht eingeschritten, als fünf Männer in Pretzien ein Exemplar des Tagebuchs der Anne Frank verbrannten. Die Polizisten hatten das Buch des jüdischen Mädchens und dessen Bedeutung als Dokument des Holocausts nicht gekannt. Alexander Fröhlich

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