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Seit 45 Jahren eine Kapazität im Musikleben: Sir Andrew Davis

© Dario Acosta

Andrew Davis zu Gast bei der Staatskapelle Berlin: Einen Jux will er sich machen

Ein Konzertabend voller Frage- und Ausrufezeichen: Die Berliner Staatskapelle musiziert mit dem norwegischen Pianisten Leif Ove Andsnes und dem britischen Dirigenten Andrew Davis.

Die Werk-Kombination, die sich Andrew Davis für sein Gast-Dirigat bei der Berliner Staatskapelle ausgedacht hat, ist wahrlich englisch-exzentrisch: Auf den ersten Blick haben Joseph Haydns Sinfonie „Mit dem Paukenschlag“ und Edward Elgars „Enigma Variations“ nämlich nichts miteinander gemein als den Uraufführungsort London. Spielfreudige Heiterkeit kennzeichnet das Stück des Österreichers von 1791, eine melancholische Grundstimmung dagegen liegt über der gut 100 Jahre später entstandenen Partitur des Briten.

Beim Konzert in der bestens gefüllten Staatsoper erschließen sich die inneren Verbindungen zwischen Haydn und Elgar dann aber doch in den Interpretationen von Sir Andrew: Einen Jux wollen sie sich beide machen, nur eben auf ihre jeweils persönliche Art.

Heiteres von Haydn, Rästelraten mit Elgar

Der reife Haydn spielt seine ganze kompositorische Lebenserfahrung aus, um dem Publikum geistreiches Entertainment zu bieten. Und zwar, indem er beständig Erwartungshaltungen unterläuft, unkonventionelle Wendemanöver vollführt. Davis hat sichtlich Spaß an diesen kompositorischen Taschenspielertricks, die Staatskapelle folgt ihm engagiert: Belebt klingt diese Klassik, was wiederum belebende Wirkung hat auf die Zuhörer.

Auch bei Elgar setzt der Dirigent dann auf einen kraftvollen inneren Puls, hellt die spätromantische Klangfarbenpalette auf, schafft eine Atmosphäre der Neugier. Die „Enigma Variations“, in denen der Komponist seine Frau und seine Freunde musikalisch porträtiert hat, werden so vom verkopften Gedankenspiel zum spannenden Rätselspaß.

Ohne Atempause gehen die Variationen ineinander über, wie mit schneller Karikaturistenhand zeichnet Davis die Charakterbilder nach, bis zum Höhepunkt, der berühmten „Nimrod“-Episode, deren liebevolles Melos er von den Staatskapellen-Streichern wunderbar beseelt aussingen lässt.

Ein großes Fragezeichen steht zuvor über dem 3. Klavierkonzert von Rachmaninow. Warum sich der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes – eigentlich ein Spezialist fürs filigrane Repertoire – dieses hyperemotionale, wuchtige Stück ausgesucht hat, bleibt unerklärlich. Denn alle Qualitäten Rachmaninows interessieren ihn offensichtlich gar nicht: Um nur ja keinen Kitschverdacht aufkommen zu lassen, unterspielt er die Virtuosität des Werkes, versucht so schlicht zu klingen wie möglich, zielt nicht auf die Höhepunkte ab, sondern betont die leisen, intimen Stellen.

Überhaupt zieht Leif Ove Andsnes wenig Vergnügen aus dem brillanten Tastenzauber, der bei „Rach 3“ immer wieder zum Showelement wird. Der Norweger sucht den Flirt mit dem Saal nicht, bleibt ganz bei sich, vermeidet jede „Schaut her, was ich draufhab“-Attitüde. Vom Publikum gefeiert wird er am Ende trotzdem.

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