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Alte Post: Grenzen überschreiten in Neukölln

Spiel mit der Psyche: Die Gruppenausstellung "Consciences and Frontiers" macht auf die Grenzen des täglichen Lebens aufmerksam - und auf die Notwendigkeit sie zu überschreiten.

George Orwells Animal Farm lässt grüßen: Ein überdimensionales Ölgemälde zeigt eine Gruppe eifrig plaudernder Geschäftsmänner - mit Schweinemasken. Dieses Bild ist typisch für die Ausstellung Consciences and Frontiers (Gewissen und Grenzen) in der Alten Post in Neukölln.

Der Mensch mit seinen inneren und äußeren Grenzen - das ist das Thema dieser internationalen Gruppenausstellung. Gemeint sind sowohl die äußeren, fassbaren Grenzen zwischen Ländern, als auch unsichtbare Grenzen, wie Moralvorstellungen. Welche Grenzen existieren in unserem Leben und wie können wir sie überwinden? Das Spektrum der 16 Künstler reicht von Malerei, Zeichnung und Fotografie über Video, Installation bis hin zu Street Art, Tanz und Performance.

Die Alte Post in Neukölln, gebaut im Jahr 1899, ist für die Ausstellungsmacher genau der richtige Ort. Hier in der Karl-Marx-Straße gibt es eine Menge Laufkundschaft - und auf die hat es Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, einer der beiden Kuratoren, abgesehen: "Es ist keine große Kunst Künstler oder kunstaffine Menschen für eine Ausstellung zu gewinnen, sondern die die es nicht sind", sagt er. Und es scheint zu funktioneren: täglich kommen an die 50-70 Besucher zufällig vorbei. Sie übertreten eine Schwelle und überschreiten bereits eine erste Grenze.

Internationale Künstlertruppe im Multi-Kulti-Kiez

Die Videoinstellation EQ von Berit Zemke, einer diplomierten Psychologin, zeigt Gesichter in Großaufnahme. Die Protagonisten stellen unterschiedliche Emotionen nach und sind einander räumlich gegenübergestellt. Dadurch entstehen nonverbale Dialoge zwischen ihnen und schließlich auch ein Trialog mit dem Zuschauer. Ein Test für die Grenzen der eigenen emotionalen Wahrnehmung. Das Werk beruft sich auf die Viersäftelehre des Hyppokrates.

Eine Installation von Immanuel Eni mit dem Namen Knowledge is Power zeigt einen Benzinkanister samt Sprengstoff. Sie soll das Bewußtsein der Grenzen zwischen Palästina und Israel, zwischen Wissen und Macht, diagnostizieren. Gleichzeitig stellt sie einen biblischen Bezug her zur Geschichte des Konflikts und der Gewalt.

Die Auseinandersetzung und das Spiel mit der Realität reizt offenbar die Macher. Dass die Ausstellung mit dem 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls zusammenfällt ist reiner Zufall, paßt aber gut ins Konzept. Und die internationale Künstlergruppe fühlt sich wohl in Neukölln mit seinen Bewohnern aus 140 Nationen.

Die 16 Künstler kommen unter anderem aus Brasilien, Schweden, Dänemark, USA, Marokko, Madagaskar, Korea, Nigeria. Sie alle sprechen eine gemeinsame Sprache - die der Kunst. Und doch sind die unterschiedlichsten Perspektiven zum Thema entstanden, der Dialog zwischen den Kulturen entfacht.

Ein Jahr lang haben sich die beiden Kuratoren der Ausstellung, Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung und Simone Kraft, auf die Suche begeben, Galerien und Ateliers besucht, Gespräche geführt, versucht die Arbeiten zu verstehen. Es ging ihnen dabei nicht nur um den ästhetischen Aspekt, sondern auch um die psychologischen Beweggründe der Künstler und die wisschenschafltichen Hintergründe der Arbeiten. Das Ergebnis ist eine beachtliche internationale Gruppenausstellung, mit den unterschiedlichsten und vielfältigsten Aspekten, die zum Nachdenken animiert. Und sie macht deutlich: Grenzen existieren und ihre Überschreitung ist nach wie vor keine Selbsverständlichkeit.

- Consciences and Frontiers - in der Alten Post Neukölln, Karl-Marxstr.97-99. Noch bis zum 24. Oktober, ab 20Uhr Finissage mit Live-Musik, Dance Performance und After Party. Der Eintritt ist frei.

PARAISOPOLIS
Eine Fotografie mit dem Titel "Paraisópolis" symbolisiert das Thema der Ausstellung "Consciences and Frontiers" prägnant: In Sao Paulo geschossen zeigt es Slums neben einer reichen Wohnsiedlung mit Tennisplätzen und Swimmingpools, nur einen Steinwurf voneinander entfernt. -

© Tuca Vieira

Annika Kuhlmann

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