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Damien Hirst

© Promo

Ausstellung: Schöner als der Tod

Der Sammler Heiner Bastian hat sein neues Ausstellungshaus an der Berliner Museumsinsel vorgestellt, das vom britischen Architekten David Chipperfield entworfen wurde. Eröffnet wird es mit einer Damien-Hirst-Retrospektive.

Am Anfang war der Knall, dann kam das Haus und jetzt der Inhalt. So ließe sich die Genese vom Galeriebau am Kupfergraben lesen. Im Sommer hatte Heiner Bastian mit Aplomb den Hamburger Bahnhof verlassen – und damit auch die dort von ihm zehn Jahre lang betreute Sammlung Marx. Der Skandal war perfekt, das Museum für Gegenwart als unfähig vorgeführt. Eine seit Anbeginn hochexplosive Verbindung von öffentlicher Institution und machtbewusstem privaten Kustos war endgültig geplatzt.

Zu diesem Zeitpunkt war das äußere Erscheinungsbild des von Bastian und seiner Frau Céline geplanten privaten Kunsthauses gegenüber der Museumsinsel kein Geheimnis mehr. Mit dem britischen Architekten David Chipperfield, der auch die Rekonstruktion des vis-à-vis gelegenen Neuen Museums betreut, schloss Bastian eine der prominentesten Baulücken in der Stadt, dies ebenfalls mit starker Geste. Das minimalistische Gebäude wendet sich sowohl an Schlossplatz und Lustgarten wie auch an die Museumsinsel und führt trotz seiner reduzierten Formsprache mit seinen klassizistischen Nachbarn einen anregenden Dialog. Nachdem der Bau von der Architekturkritik nur Lob erhalten hat, ist der Blick nun ins Haus hinein, auf das Inhaltliche umso spannender. Morgen öffnet sich für das Publikum die Tür.

Während im Obergeschoss die Medienmanagerin Christiane zu Salm mit ihrer Sammlung residiert, hat die Galerie Contemporary Fine Arts in den ersten beiden Stockwerken ihr Domizil. Die dritte Etage bleibt für die Hausherren reserviert, die zum Start den einstigen „Sensation“-Künstler Damien Hirst zeigen. Diese Wahl ist ebenfalls ostentativ, denn einer der von Bastian gegen den Hamburger Bahnhof geäußerten Vorwürfe bezog sich auf die versäumte Hirst-Retrospektive. Nun endlich bekommt der Bastian-Schützling die ihm in Berlin bislang versagte Würdigung – klassisch-museal, als wäre Hirst nicht ein Kunst-Berserker und kluger Taktiker, sondern ein feingeistiger Melancholiker. Zweifellos ist er beides; Bastian wählt sich aus, was zu ihm und seinem Kunsthaus passt.

Die perfekt verputzten, leistenlosen Wände, die großzügigen Fensteröffnungen, der zart-grau changierende Betonboden besitzen eine solche Dignität, dass vermutlich jede Kunst in dieser Umgebung edel wirkt – oder in den Abgrund stürzt. Hirst aber hebt ab in den lichtdurchfluteten Räumen. Seine fünf im Hauptraum gezeigten Werke – Leuchtkästen, Gemälde, Skulpturen – handeln alle mehr oder minder explizit vom Tod und verdichten sich zum Requiem.

Auf eine Gedichtzeile der spanischen Mystikerin Theresa von Ávila bezieht sich das über zwei Meter messende, feuerrote Tondo, aus dem Rasierklingen ragen und auf dem Schmetterlinge aufgespießt sind. Aus dem Hamburger Bahnhof stammt die fast fünf Meter lange Wandvitrine aus Edelstahl, in der Hunderte verschiedener Medikamente – Aufputschmittel, Tranquilizer, Schmerzstiller – wie Preziosen aufreiht sind. Mit „Void“, dem Titel des Werks, ist auch die Gesamtausstellung überschrieben – eine hübsche Wortspielerei, denn natürlich hinterlässt Bastian im Hamburger Bahnhof auch eine Leere, selbst wenn er das gleichnamige Werk im Anschluss an seine Ausstellung dem Museum als Leihgabe zurückgeben wird.

Umgekehrt will der Sammler, Kurator und Kunsthändler in Personalunion eine Lücke füllen in der Stadt und endlich jene Künstler zeigen, die aus seiner Sicht zu wenig gewürdigt sind. Damit befindet er sich in bester Berliner Tradition, die seit den Neunzigern von dem Sammlerpaar Rolf und Erika Hoffmann wiederbelebt worden ist und gerade in jüngster Zeit viele Nachahmer gefunden hat. In Verbindung mit einer ambitionierten Architektur besteht allerdings nur die Münchner Sammlerin Ingvild Goetz den Vergleich. Seit vielen Jahren präsentiert sie in ihrem von Herzog/de Meuron entworfenen Privatmuseum anspruchsvolle Ausstellungen, die stets von Katalogen begleitetet sind.

Die parallele Eröffnungsausstellung der Galerie Contemporary Fine Arts, bei der Georg Baselitz, Jonathan Meese und Daniel Richter unter Vertrag sind, vermittelt ein ähnlich ambivalentes Gefühl. Dort ist auf zwei Etagen das Werk des 81-jährigen Österreichers Walter Pichler zu sehen, der nach seinen Erfolgen in den Sechzigern eigentlich vergessen schien. Auch das Galeristenpaar Bruno Brunnet und Nicole Hackert versteht seine Künstlerwahl zum Start als Statement: zurück zur Solidität in einem durch den Markt vollkommen überhitzten Kunstbetrieb. So viel steht fest: Das Galeriehaus am Kupfergraben hat die zeitgenössische Kunst – nur getrennt durch die Spree – bis zur Museumsinsel herangeführt. Und der Ausstellungsbetrieb der Stadt ist um eine exquisite Adresse reicher.

Ausstellungsraum Céline und Heiner Bastian, Am Kupfergraben 10, bis 29. 2.; Mi – Sa 11 – 17 Uhr. Katalog 30 bzw. 44 €.  

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