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Berlinische Galerie: Mit satirischer Mahnung

Geistesverwandte: Politische Kunst von Klaus Staeck und John Heartfield in der Berlinischen Galerie.

„Ich liefere Demokratiebedarf“, erläutert Klaus Staeck seine Rolle als politischer Künstler. Eine Funktion, die in Berlin bislang praktisch keinen musealen Niederschlag fand. Zeigte nicht die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst 1975 einige Staeck-Plakate? „Die wurden in der Ausstellung umfunktioniert und gegen mich verwandt“, sagt der Präsident der Akademie der Künste, der jüngst für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt wurde.

„Schöne Aussichten“ hingegen für Staeck in der Hommage der Berlinischen Galerie. Ob man seine plakatierten Floretthiebe gegen Mächtige und Missstände nun platt, wohlfeil oder genial zugespitzt findet: Viele, die meisten Bild- Text-Motive eigentlich, sind von bestürzender Aktualität. Zynisch klänge es, von „zeitlosen Klassikern“ zu sprechen. Aber die Sprüche treffen noch: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen“ (1972). „Das sind die Leute, von denen erwartet wird, dass sie unsere Schulden bezahlen“ textet Staeck 1998 über einer Reihe niedlicher Babyfotos. Mitunter – eine Formfrage – ist das Plakat brisant, nur hat sich die Problematik verschoben: Über einer Wanze aus dem Biologiebuch prangt die Sprechblase der alten Bundespost-Werbung „Ruf doch mal an“! Lauschangriff anno 1977. Heute müsste Staeck gegen den „Bundestrojaner“ agitieren.

Selten zu sehen sind die Skulpturen und Multiples, in denen Staeck seine Bildrhetorik ins dreidimensionale (Alltags-) Objekt wendet. Doch die haptische Dimension liegt ihm weniger. Der Künstler nennt überdies selten Ross und Reiter (die CDU, Franz Josef Strauß, Shell oder Coca Cola), wird unscharf, eher plump denn plakativ: Eine mit Zündkerzen besteckte Geburtstagstorte „100 Jahre Automobil“ besteht aus einer ausgesägten Baumscheibe (1991). 1968, zum Auftakt einer langen Reihe von Klagen und Gerichtsverhandlungen, erfährt das Frühstücksbrettchen mit Schlagring und „Sieg Heil“-Schriftzug die richterliche Sanktion: „Kunstobjekt mit satirischer Mahnung“. In Folge wird der Jurist Staeck in über 40 Prozesse verwickelt.

Andere Zeiten, andere Gegner: John Heartfield (1891–1968) hatte es mit den Nazis zu tun. 1933 flieht der glühende KPD-Anhänger und Schöpfer bissiger Fotomontagen wie „Adolf, der Übermensch“ und „Der Sinn des Hitlergrußes“ vor den Faschisten nach Prag, das er 1938 in Richtung London verlassen muss. Zunächst als „feindlicher Ausländer“ in England interniert, arbeitet Heartfield ab 1943 mit Arbeitserlaubnis als Buchgestalter und kehrt 1950 nach Deutschland zurück – in die DDR.

Die Heartfield-Schau in der Berlinischen Galerie mit dem Titel „Zeitausschnitte“ passt perfekt zu Staeck, der im legendären Fotomonteur seinen künstlerischen Ziehvater sieht. Kennengelernt hat er ihn nie. 1956, als Heartfields späte Rehabilitation in der DDR einsetzt, setzt sich der 18-jährige in Bitterfeld aufgewachsene Schüler gerade in den Westen ab.

Wer am Dada-Künstler Heartfield (der eigentlich Helmut Herzfeld hieß) und seiner engen Zusammenarbeit mit George Grosz interessiert ist, wird in der Berlinischen Galerie nicht im Übermaß fündig. Ausnahmen wie die Skulptur „Der deutsche Spießer“ (1920), eine Allegorie des Ersten Weltkriegs, bestätigen die Regel. Die Ausstellung legt den Fokus auf den Künstler mit explizit politischer Schlagrichtung ab den Zwanzigerjahren.

Als wichtiges Bindeglied integriert Kuratorin Freya Mülhaupt etliche Buchumschläge, für die Heartfield erstmals mit Fotomontagen arbeitete. Zwischen 1930 und 1938 fertigt der Künstler mit Schere, Klebstoff, Gift und Galle 230 Titelseiten der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung. Hitler zieht mit der Gießkanne „Deutsche Eicheln“ mit Pickelhauben und Stahlhelmen groß (1933). „Das Tausendjährige Reich“ wird zum wackligen Kartenhaus mit Nazigrößen als (Spitz-)Buben. Einige Motive tauchen zweimal auf, gedruckt und als Klebe-Originale. Ein rarer Werkstattblick, aber auch eine Verzerrung, weil Ästhetisierung des Heartfield-Werks, das zweckgebunden war.

Auch das verbindet Heartfield und Klaus Staeck. Politisch tun sich Gräben auf. Heartfield attackierte die SPD seiner Zeit, Staeck bekennt sich zu ihr, unbeirrt. Heartfield ging in die DDR, Staeck haute ab. Tiefe Melancholie teilt sich auf den Fotos mit, die er zwischen 1980 und 1991 im heruntergewirtschafteten Bitterfeld machte. Ohnehin überzeugt das in die Retrospektive integrierte fotografische Werk besonders, weil es eine feinfühlige Seite des Künstlers betont: Staeck, der Rhetoriker schweigt.

Berlinische Galerie, bis 31.8., Alte Jakobstraße 124-128, Mi-Mo 10 bis 18 Uhr

Jens Hinrichsen

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