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Foto-Ausstellung: Nie wieder Kreuzberg

Wolfgang Krolows wunderbare Foto-Impressionen erzählen aus einer anderen Zeit, als Kreuzberg noch ein anderer Ort war. Damit hat Krolow ein wichtiges Stück Berliner Fotogeschichte geschrieben.

Tanzen die Mädchen miteinander, oder spielen sie Ball? Das eine im langen Rock und mit Kopftuch, das andere im knappen Freizeitdress. Den Fotografen, der diese sanfte deutsch-türkische Annäherung festhält, scheinen sie nicht zu bemerken. Es ist ein Foto aus einer anderen Zeit, als Kreuzberg am Rande Westberlins lag, auf den Straßen noch Kinder spielten und auf den Plätzen die Feste gefeiert wurden, wie sie fielen.

Wolfgang Krolow hat den vitalen Alltag genossen. Seine schwarzweißen Aufnahmen aus Kreuzberg, von denen ein Großteil in Fotobüchern unter die Leute kam, überzeugen durch ihre Nähe zu den Menschen: den Kindern ebenso wie den Rappern und ihren Bräuten, den heftig frisierten Punks, den Hausbesetzern und den jungen Männern von nebenan. Manchmal blickte er in jener Zeit auch suchend über die Mauer Richtung Fernsehturm. Aber fotografieren wollte er den Osten ebenso wenig, wie es ihn nach Charlottenburg oder Spandau zog. Nur was in Laufnähe zur eigenen Wohnung am Chamissoplatz passierte, das Miteinander, die Freundlichkeit der Leute und zuweilen auch das wilde Leben, war und ist „sein Milieu“.

Die Maueröffnung dann hielt Krolow nicht als politisches Großereignis fest, sondern in kleinen, oft witzigen Momenten. Ein Junge springt wie im Spiel durch eine frei geschlagene Öffnung, ein türkisches Mädchen führt seine Ziege auf dem Grenzstreifen spazieren und lugt nach drüben. Nach 1989 werden die vitalen Impressionen weniger. Ein schönes Bild aus dem Jahr 1999 zeigt den Chamissoplatz als ein gepflegtes städtisches Areal. Andere Aufnahmen erinnern an Reisen nach Wolgograd, Moskau, Portugal und Algerien. Zugleich sind diese Bilder Signale aus der Ferne, denen der Fotograf, seit Krankheit ihn an den Rollstuhl fesselt, nicht mehr folgen kann.

Ein unübersehbar großer Freundeskreis füllte am Eröffnungsabend die Ausstellung bis auf die Straße, ganz so, als sollten die legendären Kreuzberger Nächte nun einmal in Mitte fortgesetzt werden. Noch am gleichen Abend gaben die ersten Käufer ihre Bestellungen auf (die Preise liegen moderat zwischen 300 und 500 Euro) – verständlich, denn Krolow hat ein wichtiges Stück Berliner Fotogeschichte geschrieben. Hans-Jörg Rother

Galerie argus fotokunst, Marienstraße 26; bis 6. Oktober, Di.-Sa. 14-18 Uhr.

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