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Impressionismus: Das Licht der Moderne

Immer wieder neu: Die Impressionisten ziehen die Massen ins Museum – nun in Madrid. Das Musée d’Orsay verspricht nicht weniger als eine "neue Renaissance".

Schaut man auf die Blockbuster-Ausstellungen der nuller Jahre, so mag die Salonmalerei, die Kunst von Edward Burne-Jones, Lawrence Alma-Tadema, John William Waterhouse überraschende Erfolge gefeiert haben. Die Impressionisten aber überflügeln sie nicht. Das Publikum liebt deren heitere, sonnige Bilder zu sehr, und mit ihm der Ausstellungsbetrieb. So setzen die Tupfenmaler auch im 21. Jahrhundert ihren Siegeszug fort, den sie seit ihrer Wiederentdeckung nach 1945 erlebten.

Allein in den vergangenen beiden Jahren häuften sich die Impressionisten-Ausstellungen, die jedoch andere Facetten zu beleuchten suchten und nicht nur in Schönheit schwelgten. Die Frankfurter Schirn-Kunsthalle schenkte endlich den Impressionistinnen, die im Schatten der Männer standen, die bislang fehlende Aufmerksamkeit. Die Albertina in Wien nahm sich die Technik vor und fand heraus, was Fotografie, die Erfindung der Tubenfarbe und neuer synthetischer Töne bedeuteten. Die Bielefelder Kunsthalle würdigt gegenwärtig den deutschen Impressionismus, der bislang als Fußnote der Kunstgeschichte galt.

Nun holt das Musée d’Orsay, das Mutterhaus der impressionistischen Malerei, zu einem weiteren Schlag aus – allerdings nicht am Stammsitz in Paris, sondern in Madrid. Denn der 1986 in ein Museum umgewandelte Bahnhof Gare d’Orsay wird gegenwärtig renoviert, drei Millionen Besucher jährlich fordern ihren Tribut. Zugleich sollen die Zugpferde des Hauses – Manet, Monet, van Gogh, Courbet – neu präsentiert werden; die großen Säle gehören künftig ihnen allein. Bis zur Wiedereröffnung 2011 schickt das Pariser Museum nun seine Meisterwerke um die Welt. Die Impressionisten touren nach Spanien weiter in die USA, der Postimpressionismus gastiert in Australien. Die Leihgebühren bringen das Geld für die Renovierung ein.

In Madrid, in der Fundación Mapfre, der größten privaten Stiftung Spaniens, die zu einer Versicherungsgesellschaft gehört, verspricht das Musée d’Orsay nun nicht weniger als eine „neue Renaissance“, so der Ausstellungstitel. Die Pariser Kuratoren wollen den Impressionismus nicht länger als unendliche Fortsetzung der Sommerfrischen und heiteren Bootspartien zelebrieren. Stattdessen nehmen sie die zeitlichen Umstände genauer in Augenschein, die Produktion der Zeitgenossen.

Und siehe da: Es waren nicht die Impressionisten allein, die zu neuen Ufern vorzustoßen suchten, wie die klassische Kunstgeschichte gerne glauben macht, um das Revolutionäre der Künstler zu betonen. Auch die Salonmaler suchten neue Wege. „Modernität ist nicht länger der exklusive Club, wie ihn das 20. Jahrhundert so liebte,“ so die Pariser Kuratoren. Indem die Ausstellung den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts gewidmet ist, als die erste Impressionistenausstellung stattfand, und gleichzeitig die verschiedenen Einflüsse aufzeigt, aus denen sämtliche Richtungen jener Zeit sich speisten, wird die Leistung der Impressionisten nicht geschmälert – im Gegenteil.

Manet bildet die Klammer jener legendären Siebziger. Sein „Pfeifer“ (1866) eröffnet die 90 Werke umfassende Schau. Sein Porträt der „Dame mit den Fächern“ (1873/74) beendet sie. Der kindliche Soldat, der ernst in die Querflöte bläst, hebt sich mit seiner roten Hose, der schwarzen Uniformjacke, dem vorblitzenden Weiß von Schärpe und Gamaschen wie ausgeschnitten vom milchig-grauen Hintergrund ab. Gerade hier in Madrid, nur wenige Minuten vom Prado entfernt, wird sichtbar, wie viel der Künstler Goya und Velazquez verdankt. Von ihnen hatte sich Manet den harten Realismus abgeschaut, die Eliminierung jeglicher Accessoires, die Konzentration auf reine Malerei.

Der „Pfeifer“ begründete Manets Ruhm, denn neben dem skandalösen „Frühstück im Grünen“, das einen weiblichen Akt zusammen mit zwei korrekt gekleideten Herren auf einer Wiese zeigt, wurde auch dieses Bild vom Salon abgelehnt. Zola verfasste daraufhin eine Kampfschrift zur Verteidigung des Realismus in der Literatur und Malerei am Beispiel des „Pfeifers“. Die „Refusés“, die Zurückgewiesenen, bildeten eine eigene Garde, und Manet war ihr Star, auch wenn er sich selbst nie als Impressionist ansah. Diese Maler waren wesentlich jünger als er und gehörten bereits der nächsten Generation an.

Die Madrider Ausstellung zeigt klar, dass auch die Akademiker Regnault und Carolus-Durand die spanische Malerei studiert hatten, nur zu einem anderen Ergebnis kamen. Henri Regnault malte „Juan Prim“ (1868) als sinistren General hoch zu Ross auf einem energisch die Mähne schüttelnden Rappen. Carolus-Durand porträtierte 1869 eine Dame der Pariser Gesellschaft mit schwarzem Spitzenkleid und gelber Rose im Haar, als ob sie eine rassige Spanierin wäre.

Wer die siebziger Jahre in Frankreich darstellen will, darf nicht das „année terrible“ (September 1870 bis Juni 1871) aussparen, das Jahr der Niederlage der Grande Nation gegen die Preußen und der blutigen Auseinandersetzungen der Kommunarden in Paris. Die Ausstellung präsentiert Puvis des Chavannes Allegorien auf den Krieg, Gustave Dorés Schlachtfelder in Grisaille-Malerei. Von Courbet gibt es ein verschlüsseltes Selbstporträt: eine Forelle an Land mit Angelschnur im Maul. Der Maler befand sich damals im Schweizer Exil, da ihn Schulden vier Jahre lang aus Paris verbannten. Gleichwohl verkaufte der Kunsthändler Duran-Ruel daheim erfolgreich seine Bilder. Millet monumentalisierte das bäuerliche Leben, erhob die Landarbeit zur Heldentat. Ein Lob handwerklicher Mühen sind auch Caillebottes „Parkettabschleifer“, die ebenso wenig Aufnahme im Salon fanden, aber ein Jahr später, 1874, in der Impressionistenausstellung reüssierten.

Die Madrider Schau arrondiert perfekt den Impressionismus in seiner Zeit. Hier wirkt er wie eine Strömung unter vielen. Und doch geht ein Strahlen von seinen Bildern aus, führen sie in eine neue Epoche. Das Finale mit den klassischen Impressionisten zelebriert Monet mit seinem sich im Rauch der Dampflok verflüchtigenden „Bahnhof von Saint-Lazare“, Sisleys Schneegestöber in „Louvenciennes“ (1878) und Renoirs von Lichtflecken umspieltes Stelldichein bei einer „Schaukel“ im Garten (1876). Cézanne beginnt zu diesem Zeitpunkt geometrisierend zu malen. Degas jagt der Bewegung auf der Pferderennbahn mit dem Pinsel nach.

Manet aber kehrt zu den schwarzen Farben der frühen Jahre zurück. Als Ziehvater seiner Zeit bleibt er bis zuletzt eine Ausnahmeerscheinung, dem schweren Pinselstrich verhaftet. Da mag auch seine „Dame mit den Fächern“ noch so offenherzig dekolletiert sein, den neuen Frauentypus verkörpern. Sein Bildnis nimmt dennoch den übernächsten Schritt vorweg. Das Kissen, auf das sich die Schöne gelagert hat, ist wie von den späteren Abstrakten gemalt. Die Geschichte der Moderne lässt sich eben nur in Umwegen erzählen. Nicht immer führt sie geradewegs zum Licht.

„Impresionismo“, Fundación Mapfre, Madrid, bis 22. April.

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