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© Nolde-Stiftung, Seebüll

Nolde-Ausstellung: Den Urmenschen suchen

In Berlin ist jetzt Emil Noldes Südseereise von 1913/14 nachzuerleben. Der Künstler verewigte in seinen Bildern die Harmonie von Mensch und Natur.

Das Paradies ist feuerrot. Und sattgrün, violett, milchweiß, rosa. Emil Noldes berühmtes Gemälde „Tropensonne“ entstand 1914 in einem zum Atelier umfunktionierten Arresthaus auf der Insel Neu-Mecklenburg (New Ireland), Papua-Neuguinea. Wie gesagt, ein Paradies. Wozu braucht man da Gefängnisse?

Von Oktober 1913 bis September 1914 nahm der 46-jährige Maler mit seiner Frau Ada Nolde an einer Expedition des Berliner Reichskolonialamtes teil. Als „Südseereise“ ist sie in die Kunstgeschichte eingegangen. Die im vergangenen September eröffnete Berliner Dependance der Nolde-Stiftung Seebüll – zur ersten Ausstellung „Nolde in Berlin“ kamen 15.000 Besucher – breitet nun Noldes Südseebilder aus. Farben statt Wintergrau, auf 21 Gemälden, Skulpturen sowie rund 80 Grafiken.

Letzte deutsche Kolonialexpedition

Von Berlin aus träumte sich Nolde bereits im Winter 1911/12 vor den Vitrinen des Völkerkunde-Museums zeichnend in die Tropen. Anfang Oktober 1913 war es dann endlich soweit. Zusammen mit zwei Tropenmedizinern und einer Krankenschwester, die die verheerenden Epidemien in den deutschen Kolonien erforschen sollten, reiste das Ehepaar Nolde vom Bahnhof Zoo ab: nach Moskau, weiter mit der Transsibirischen Eisenbahn, über China, Japan, Korea und die Philippinen bis zum damaligen Deutsch-Neuguinea. Auf der Rückreise ereilte die Reisenden der Weltkriegsbeginn. Nolde hat an der letzten deutschen Kolonialexpedition teilgenommen.

Forschungsreisende bedienten sich selbst nach der Erfindung der Fotografie gern eines Malers, um Erlebtes bildlich aufzuzeichnen. Von Nolde hat das niemand erwartet. Er musste die Reisekosten von 23.000 Reichsmark selbst aufbringen und hat sich dafür hoch verschuldet. Zwar kauften die Beamten des Reichskolonialamts dem Künstler schließlich 50 Aquarelle ab – doch dahinter standen einflussreiche Mäzene wie Karl Ernst Osthaus. Einen Teil dieses Konvoluts bewahrt heute die Berliner Nationalgalerie. Die große, überreiche Restausbeute der Expedition gehört der aus dem Nachlass gespeisten Nolde-Stiftung in Seebüll.

Harmonie von Mensch und Natur

Nolde auf Kunstsafari in exotischer Ferne, das ist auch die Geschichte einer Verklärung. Zwar wollte er nicht, wie Paul Gauguin oder Max Pechstein, länger bleiben. Doch der Blick des nicht mehr ganz jungen Wilden auf die Eingeborenen ist letztlich noch immer der gleiche wie bei Jean-Jacques Rousseau: die Mär vom edlen Wilden. „Die Urmenschen leben in ihrer Natur, sind eins mit ihr und ein Teil vom ganzen All“, schreibt Nolde 1914. „Ich habe zuweilen das Gefühl, als ob nur sie noch wirkliche Menschen sind, wir aber etwas wie verbildete Gliederpuppen, künstlich und voll Dünkel.“

Die Schlüsse, die Nolde als Künstler aus seiner Weltsicht zieht, sind zum Glück frei von jeder Gönnerhaftigkeit. In kleinformatigen Reiseskizzen sowie Gemälden und Aquarellen, die teils vor Ort, teils nach der Reise im Atelier entstanden sind, feiert er die Harmonie von Mensch und Natur. Das Fremde ist hier weniger optische Sensation als ein Spiegel befreiter Fantasie. Zu schön, um nur real zu sein. Das Paradies in Weitweitweg.

Nolde Stiftung, Jägerstraße 55 in Mitte, bis 18. Mai tägl. 10-19 Uhr. Der Katalog (Du Mont) kostet 29 Euro.

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