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Pressefotos: Gefechtspause

Das Bild der Woche – und eine Ausstellung preisgekrönter Pressefotos.

Sie feiern, loben, segnen. Auch mittun wollen sie, teilhaben. Sehnsüchtig und stolz liegen die vielen weißen Hände an diesem 3. Juni auf den Schultern und dem schwarzen Haupt von Barack Obama. Gerade hat der frisch gekürte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten in St. Paul, Minnesota, vor tausenden Anhängern seine Siegesansprache gehalten.

Das Foto von Chris Carlson dokumentiert einen historischen Augenblick – und symbolisiert noch mehr: Schwarz und Weiß teilen größtmögliche Nähe. Die endgültige Überwindung der Rassentrennung scheint mit Obamas Kandidatur vollzogen. Erstmals in der Geschichte hat ein Schwarzer die Chance, ins Weiße Haus einzuziehen. Doch wo viele Hände einen Rücken stärken, mag ein leichter Druck in diese Richtung, ein sanfter Widerstand gegen jene Bewegung genügen, um die Schritte des Umworbenen zu beeinflussen. Etwas Bedrohliches liegt in der Enge des von Carlson eingefangenen schwarzweißen Handgemenges.

Das Bild demonstriert, was Pressefotografie leisten kann: Blitzartig erhellt sie einen welthistorischen oder auch alltäglichen Moment, einen Augenblick der Erkenntnis. Sie vermag Entwicklungen zu verdeutlichen, indem sie ein einzelnes Ereignis als Teil eines politischen, sozialen oder ökologischen Wandlungsprozesses begreifbar werden lässt.

Die besten Pressefotos des vergangenen Jahres zeigt die derzeit im Berliner Willy-Brandt-Haus gastierende Ausstellung „World Press Photo 08“. Eine internationale Jury hat aus über 80 000 Einsendungen 156 Bilder von 59 Fotografen aus 23 Ländern ausgewählt. Das Pressefoto des Jahres 2007, eine Aufnahme des Briten Tim Hetherington, zeigt einen erschöpften amerikanischen Soldaten bei einer Gefechtspause in Afghanistan.

Die Auszeichungen wurden in zehn Themenkategorien vergeben. Unter „Harte Fakten“ finden sich überwiegend Fotografien aus militärischen Krisengebieten. Andere Fotos verweisen auf den weltweiten Verlust von Kindheit: Einem Kindersoldaten ähnelnd hält der amerikanische Junge sein Jagdgewehr in der Hand. Neue Gesetze erlauben unter Zwölfjährigen in einigen amerikanischen Bundesstaaten das Jagen – gedacht als sinnvolle Alternative zu Computerspielen.

Scheinbar friedlich geht es hingegen in der bunten Mikrofauna aus dem hawaiischen Ozean zu: gleichsam komponiertes Chaos zeigt das in der Rubrik „Natur“ preisgekrönte Foto von David Liittschwager. „Menschen in den Schlagzeilen“ heißt eine weitere Kategorie – durchaus möglich, dass hierunter nächstes Jahr Carlsons Schnappschuss vom Handgemenge um Obama ausgezeichnet wird.

Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, bis 22. 6., Di-So 12-18 Uhr.

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