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Der Tagesspiegel-Fragebogen (16): 15 Fragen an - Xavier Fourquemin

Wir haben Comicschaffenden je 15 Fragen gestellt - zu ihrer Arbeit, zu ihren Vorbildern und zur Lage der Comic-Nation. Heute: der französische Zeichner Xavier Fourquemin („Changeling“).

1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst? Worte oder Bilder?
Zunächst denke ich an die Bilder. Ich lese die Texte von Pierre [Pierre Dubois, der Szenarist von „Changeling“] und visualisiere die Szene ganz automatisch. Der schwierigere Teil ist dann, dieses Gedankenbild zu Papier zu bringen.

2. Hören Sie beim Zeichnen Musik? Und wie beeinflusst Sie das?
Wenn ich die Aufteilung der Seiten mache, brauche ich absolute Funkstille. Das ist die Arbeit, die mir die größte Konzentration abverlangt. Wenn ich nachdenken muss, benötige ich Ruhe. Bei den Bleistiftskizzen oder beim Tuschen dagegen höre ich Radio.

3. Was essen oder trinken sie am liebsten bei der Arbeit?
Mittags, zwischen zwei Arbeitsschichten, esse ich oft allein. Ich esse dann, was ich im Kühlschrank finde, egal was, um etwas in den Magen zu bekommen. Dazu trinke ich meist Wasser.

4. Angenommen, ihre Wohnung brennt. Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Zweifellos einen „Gaston“. Den mit der Katze und der Möwe auf dem Titelbild [im französischen Original Band 9: „Le cas Lagaffe“].

5. Welche Zeichner/Autoren waren für Ihre eigene Entwicklung am prägnantesten?
Ungefähr in chronologischer Anordnung: Franquin („Gaston“), Giraud („Blueberry“), Loisel („Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“), Tardi („Adèle“) und De Crécy („Foligatto“).

Zwischen den Welten. Seit 2008 arbeitet Fourquemin an der Serie „Die Legende vom Changeling“ , hier das Cover des zweiten Bandes. Derzeit ist Band 4 in Arbeit.
Zwischen den Welten. Seit 2008 arbeitet Fourquemin an der Serie „Die Legende vom Changeling“ , hier das Cover des zweiten Bandes. Derzeit ist Band 4 in Arbeit.

© Piredda

6. Welches Comicbuch würden Sie jemandem empfehlen, der sonst keine Comics liest?
Die Alben der Zeichner, die ich in der Antwort zuvor genannt habe. Dann noch die von Urasawa („20th Century Boys“) und meine eigenen natürlich auch.

7. Glauben Sie, dass dem Comic die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er verdient?
Ganz sicher nicht. Aber ein Comicschaffender ist ein ewig Unzufriedener.

8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie im Moment haben?
Ich finde, dass die Medien in Frankreich sich vor allem auf die „Bestseller“ konzentrieren. Und auf die Bücher, die von der „Association“ herausgegeben werden. Die restlichen 90% übersehen sie dann geflissentlich.

9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Ich würde René Hausmann („Laiyna“) einen Preis geben. In meinen Augen ein absolut großartiger Zeichner.

Teamwork: Die Reihe „Miss Endicott“ entstand zusammen mit dem Szenaristen Jean-Christophe Derrien.
Teamwork: Die Reihe „Miss Endicott“ entstand zusammen mit dem Szenaristen Jean-Christophe Derrien.

© Piredda

10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Ich würde sagen, dass die Zeichnungen rund, dynamisch und klar sind. Das Ambiente ist größtenteils eher kalt und feucht, aber die „Helden“ sind sehr sympathisch. Außerdem ist es mir nicht unrecht, dass sie die Fehler in meinen Zeichnungen nicht sehen können.

11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Heute sitze ich am Titelbild von Band 4 der „Legende vom Changeling“. Morgen werde ich am Storyboard der Seiten 14-18 von Band 5 arbeiten.

12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comiczeichner/Autor zu werden - oder wieso würden Sie ihm davon abraten?
Ich würde nie jemandem raten, Comiczeichner zu werden. Wir sind schon viel zu viele.

13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Ich empfinde nichts Besonderes. Die Emotionen sind bei mir vorwiegend in der Schaffensphase präsent. Wenn das Album dann herauskommt, sehe ich vor allem die Fehler, die ich gemacht habe. Ich brauche immer ein wenig Zeit, um auch die guten Dinge zu sehen.

14. Welche Note hatten Sie im Kunstunterricht?
Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, aber sie war nicht zu schlecht. Und bestimmt besser als meine Noten in den anderen Fächern.

15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Mir fallen all die Dinge schwer, die mich nicht interessieren. Zum Beispiel moderne Fahrzeuge (Autos, Flugzeuge, Motorräder).

Sammlerstück: Zur Berliner Comicbörse am 14. November erscheint diese auf 100 Exemplare limitierte Druck-Grafik.
Sammlerstück: Zur Berliner Comicbörse am 14. November erscheint diese auf 100 Exemplare limitierte Druck-Grafik.

© Illustration: Xavier Fourquemin/Piredda

Xavier Fourquemin wurde 1970 in Frankreich geboren, zog aber 1991 nach Belgien, wo er sich an der Akademie der Schönen Künste in Tournai einschrieb. Dort besuchte er die Kurse von Antonio Cossu und machte vier Jahre später seinen Diplom-Abschluss. Im Februar 1996 erschien seine erste Comic-Geschichte in dem Magazin „Gotham“. Danach arbeitete er mit dem Szenaristen Dieter zusammen und es entstanden die Serien „Alban“ (1997) und „Outlaw“ (2001). Im Jahre 2007 kreierte er noch „Miss Endicott“ (Szenarios: Jean-Christophe Derrien), bevor er dann 2008 „Die Legende vom Changeling“ begann. Diese von Pierre Dubois getextete Serie dreht sich um den kleinen Peter, der Scrubby genannt wird und sich zwischen zwei Welten hin und her bewegt: Zum einen in den realen Gassen im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wo er mit seiner Familie gezwungenermaßen hinzieht, und zum anderen in dem fantastischen Universum der Feen, in dem sich unzählige Gnome, Nymphen, Kobolde, Hobogoblins, Trolle und viele andere mehr tummeln. In Deutschland erscheinen die Alben seiner Serien „Die Legende vom Changeling“ und „Miss Endicott“ beim Berliner Piredda Verlag (www.piredda-verlag.de).

Alle bisher erschienenen Folgen unserer Fragebogen-Serie finden Sie unter diesem Link. 

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