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© Thilo Rückeis

Comicverfilmung: Bela im Rosinenbomber

„Sin City“ an der Havelchaussee: Der „Ärzte“-Schlagzeuger spielt in einem Luftbrückenfilm mit. Gefördert wird das auf einem Comic basierende Projekt von der US-Botschaft, zum Tag der Einheit soll der Streifen fertig sein.

„Dirk, könntest du ein feines diabolisches Lächeln zeigen, wenn du Gedeon und Urs nach dem Anzünden der Zigarette anschaust? Danke!“ Miguel Pate überprüft noch mal einige Einstellungen am Monitor, dann sagt der 27-jährige Nachwuchsregisseur zum fünften Mal an diesem Nachmittag: „Bitte alles auf Anfang, wir machen die Szene noch mal!“ Und die Schauspieler Gedeon Burkhard, Dirk Felsenheimer alias Bela B. von der Band Die Ärzte und Urs Remond gehen ohne zu murren auf ihre Ausgangspositionen zurück.

Dass die drei hier in den Havelstudios in Charlottenburg gerade eine Szene aus „Bridges“, einem Film über die Berliner Luftbrücke, drehen, ist allein an ihren Kostümen zu erkennen, die sie zu Piloten der amerikanischen Luftwaffe machen. Nichts deutet ansonsten darauf hin, dass diese Sequenz des rund 30-minütigen Films im Jahr 1948 auf dem Flughafen Tempelhof spielt. Denn wo eigentlich Hangars, das Rollfeld und viermotorige Rosinenbomber des Typs Douglas C-54 Skymaster zu sehen sein müssten, stehen nur hohe, grellgrüne Wände. „Wir drehen den kompletten Film im Greenscreen-Verfahren. Das hat es in Deutschland so noch nicht gegeben“, sagt Produzent Florian Frerichs.

Der 26-Jährige hat bereits den Comic „Bridges“ verlegt, der als Vorlage für den Film dient und von seinem früheren Oberschullehrer, dem promovierten Historiker Stephan Warnatsch gezeichnet worden ist.

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Vorbild "Sin City". Auch bei der Verfilmung des Berlin-Comics "Bridges" werden die meisten Kulissen erst nach den Dreharbeiten am Computer erzeugt.

© Thilo Rückeis

Comicfan Warnatsch liefert am Zeichentisch ebenfalls die kompletten Hintergründe für die fiktive Filmgeschichte um den amerikanischen Piloten Captain Saul Bridges – gespielt von Gedeon Burkhard –, der 1945 erst als Feind und 1948 dann als Helfer über Berlin fliegt. Ab Februar werden Warnatschs Tuschezeichnungen in einer aufwendigen Postproduktion mit den Aufnahmen der Schauspieler zusammengefügt. Bis zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober soll alles fertig sein, dann soll der von der Checkpoint-Charlie-Stiftung und der US-Botschaft geförderte Film auf Festivals sowie im RBB und auf Arte laufen.

Bela B. ist die Greenscreen-Technik vertraut: „Wir haben sie schon oft für unsere Ärzte-Videos eingesetzt“, erzählt der 47-Jährige. Geboren wurde Bela B. in der Seegefelder Straße in Spandau („Früher nannten mich die Bandkollegen ’Herr Seegefelder’“), feierte dort oft im legendären alten Ballhaus an der Havel und gründete in einer kalten Winternacht vorm Rathaus Spandau mit dem Musiker Farin Urlaub (’Herr Senheimer aus Frohnau’) schließlich die Ärzte. Seit vielen Jahren lebt Bela B. nun in Hamburg, ist aber oft in Berlin und besucht immer noch gern wie in seinen Jugendzeiten ein Konzert im Kreuzberger Rockclub „SO 36“.

Obwohl er und Burkhard in Quentin Tarantinos Film „Inglorious Basterds“ mitgewirkt haben, haben sie sich erst jetzt bei „Bridges“ kennengelernt. „Als Dirk bei Tarantino den Platzanweiser im Kino gab, war meine Figur nämlich längst tot“, sagt Burkhard und freut sich nun umso mehr, mit so einem „bekannten Rockidol wie Bela B.“ spielen zu dürfen.

Auch Pate, für den „Bridges“ die erste Regiearbeit überhaupt ist, war 2008 bei den Dreharbeiten zu Tarantinos Nazi-Satire dabei: als Regieassistent. Noch drei Jahre zuvor stand der Friedrichshainer als Praktikant bei Dreharbeiten für eine deutsche TV-Serie stundenlang im Regen. Dass er erst Assistent von Stephen Daldry bei dessen Film „Der Vorleser“ und dann von Tarantino geworden sei, habe er unter anderem Zufällen zu verdanken. „Und vielleicht auch meiner Leidenschaft für den Film, die dazu führt, dass ich immer alles gebe“, sagt Pate.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 23.01.2010)

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