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© Doris Spiekermann-Klaas

Berliner Comic-Botschafter: Ein Schluck Weltverständnis

Das Comictrio Moga Mobo pflegt den deutsch-japanischen Kulturaustausch Die Ergebnisse sind ab heute in einer Schau im Auswärtigen Amt zu sehen

Man kennt das aus dem Film „Lost in Translation“: Bei offiziellen Gesprächen kann auch der motivierteste Übersetzer den Graben zwischen Japanern und westlichem Gast nicht überwinden. Aber sobald der Fremdling sich auf eigene Faust in die unbekannte Kultur fallen lässt, scheinen sich die Verständigungsprobleme in Wohlgefallen aufzulösen. So ähnlich erging es den Berliner Illustratoren und Comiczeichnern Titus Ackermann, Thomas Gronle und Jonas Greulich vergangenes Jahr bei ihrem Japanbesuch. Tagelang diskutierten sie mit ihren japanischen Partnern über das gemeinsame Kunstprojekt, unterstützt von einer Übersetzerin des Goethe-Instituts. Aber irgendwie redeten sie immer aneinander vorbei. Sie verstanden sich erst, als die Übersetzerin nicht mehr dabei war – mit Hilfe ihrer eigenen „Räubersprache“, wie Titus Ackermann das nennt.

Die gemeinsame Sprache der drei Berliner und ihrer sechs japanischen Partner sind die Codes der Illustrationsgrafik, der Popkultur und vor allem der Comicwelt, verbunden mit Trinkfreudigkeit und einer Affinität für fantasievolles Spielzeug. Seit mehr als vier Jahren pflegen die Berliner, die sich unter dem Namen Moga Mobo einen Namen als Verteiler anspruchsvoller Gratis-Comics gemacht haben, den Kontakt zur Künstlergruppe Nou Nou Hau in Tokio. Den staatlich geförderten Durchbruch bescherte ihnen jetzt das offizielle Deutschland-in-Japan-Jahr 2005/2006. Mit Hilfe des Goethe-Instituts reisten die drei Mittdreißiger letztes Jahr nach Japan und erarbeiteten dort mit ihren Künstlerfreunden eine Ausstellung und ein opulent illustriertes Buch. Am heutigen Dienstag um 18 Uhr wird die Schau, die bereits in Tokio zu sehen war, im Lichthof des Auswärtigen Amts eröffnet, in vier Wochen ist eine erweiterte Fassung in der Galerie Neurotitan neben den Hackeschen Höfen zu sehen. Dazu werden auch einige der japanischen Künstler erwartet.

Titel des Projekts und zugleich Symbol für die künstlerische Energie, die durch die Ost-West-Kooperation freigesetzt wurde, ist der „Kugelblitz“. Der schwebt im Auswärtigen Amt als Skulptur unter der Decke und steht für den Schlusspunkt einer fantastischen, multimedialen Comicgeschichte. Darin lassen die neun Künstler einen Energieball durch ihre Bilder rauschen, vorbei an Afro-Samurais, japanischen Schulkindern und futuristischen Metropolenszenarien, bis die Kugel in einem Potpourri der neun unterschiedlichen Zeichenstile zerstiebt.

Dass die beiden Gruppen vor vier Jahren zueinander fanden, war reines Glück, erzählt Thomas Gronle, während er und seine beiden Kollegen die Ausstellung im Außenministerium aufbauen. Im Internet stießen die Deutschen zufällig auf Nou Nou Hau. Sie schrieben eine Mail, erhielten eine Antwort samt Einladung nach Tokio und wagten den großen Schritt. Drei Wochen verbrachten sie bei den Japanern, am Schluss hatten sie sechs neue Freunde. Für die Kommunikation entwickelten sie ein mit japanischen Begriffen gespicktes Pidgin-Englisch, sagt Titus Ackermann. Dennoch fühlten sie sich den Japanern schnell näher als manchen Deutschen, auch wegen der gemeinsamen Leidenschaft für Computerspiele, Science-Fiction-Filme und Independent-Musik. Trotzdem gab und gibt es immer wieder Momente, in denen man meint, einander zu verstehen und erst am Schluss merkt, dass die anderen das ganz anders gemeint haben, erzählt Thomas Gronle. Auch wegen dieses Aspekts von Völkerverständigung ist die Ausstellung jetzt im Außenministerium zu sehen. Denn die Kugelblitz-Comics und ihre Entstehung stehen symbolisch für das, was Titus Ackermann einen „tiefen Schluck aus der Weltverständnistasse“ nennt: „Nachts liegt man sich in den Armen, feiert und diskutiert stundenlang den Teil III von Star Wars und am nächsten Tag herrscht wieder völliges Unverständnis.“

Kugelblitz, Auswärtiges Amt bis 17.4., Werderscher Markt 1. Ab 22.4. Galerie Neurotitan, Rosenthaler Str. 39, Mitte, Katalog 132 S., 18 Euro, www.mogamobo.com

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