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JAPAN-FILM-CRUISE

© AFP

Comic-Verfilmung: Weckruf für den Schläfer

Die Comic-Serie "Sleeper" schickt gebrochene Charaktere durch eine düstere Welt voller Sex und Gewalt. Nun wollen Tom Cruise und Spider-Man-Regisseur Sam Raimi diese Welt ins Kino bringen.

Starke Typen hat Tom Cruise schon immer gerne gespielt. In "Top Gun" jagte er im Düsenjet durch die Wolken, in "Cocktail" gab er einen coolen Barkeeper. Zuletzt spielte er den Hitler-Attentäter Stauffenberg. Nicht ohne Kritik: ein deutscher Widerständler, gespielt von einem bekennenden Scientologen? Das war manchem zu viel. Jetzt könnte Cruise einer Organisation auf die Leinwand verhelfen, die, sagen wir mal, ähnlich intransparent ist.

Ein heißer Kandidat für die nächste Comicverfilmung ist nämlich "Sleeper", ein Comic-Thriller um die Geheimorganisation des Superverbrechers Tao. Der "Hollywood Reporter" und diverse andere Fachmagazine melden, dass Cruise zusammen mit Kultregisseur Sam Raimi (Spider-Man 1-3, Armee der Finsternis) die Geschichte verfilmen will. Ob Raimi selbst Regie führt und ob Cruise mitspielt, sei allerdings noch offen.

Cruise als Superverbrecher

Geht es nach der äußerlichen Ähnlichkeit, bleibt für Cruise eigentlich nur eine Rolle: die des Verbrechergenies Tao. Smart, gut aussehend, die dunklen Haare leicht ins Gesicht hängend – fast könnte man meinen, Zeichner Sean Phillips hätte bei der Arbeit schon an Tom Cruise gedacht.

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Unter Strom. Conductor ist ein düsterer Held in einer düsteren Welt. -

© Illustration: Sean Phillips

Die Hauptperson in Sleeper heißt allerdings Holden Carver, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Carver, bullig, ständig die Mundwinkel nach unten ziehend, ist in einer ziemlich üblen Situation. Er ist als Geheimagent bei Tao eingeschleust - und will da wieder raus. Das Problem: Der einzige Mann, der das weiß und ihm vielleicht in sein altes Leben zurückhelfen könnte, liegt derzeit im Koma. Also muss Carver sich vorerst wohl oder übel mit seiner Rolle als "Schläfer" abfinden. Leichter macht ihm das die überaus brutale Miss Misery, eine der wichtigsten Vertrauten Taos, mit der Carver eine Affäre beginnt.

So düster wie die Zeichnungen Phillips' sind auch die Fähigkeiten der Charaktere. Carver, genannt Conductor (Leitung, Leiter), wird durch Schmerz immer stärker. In einer Szene fordert er seinen Begleiter auf: "Schieß auf mich" - den Schmerz leitet er an seinen Gegner weiter. Wenig friedliebend sind auch die Kräfte von Miss Misery. Je weniger sie gesellschaftliche Regeln befolgt, desto stärker wird sie. Also gehören zu ihren bevorzugten Tätigkeiten rauchen, saufen und quälen.
 
Gutmenschen findet man bei Autor Ed Brubaker nicht

Superkräfte ja, Superhelden nein. Bunte, ständig für die Gerechtigkeit in der Welt kämpfende Gutmenschen sucht man in "Sleeper" vergebens.

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Unempfindlich. "Sleeper"-Held Conductor wird durch Schmerz nur noch stärker. -

© Illustration: Sean Phillips

Kein Wunder, heißt der Autor der 24-teiligen Miniserie doch Ed Brubaker. Und der sagt über Sleeper: "Ich dachte mir: es wäre doch interessant, einen Comic über jemanden zu machen, der vorgibt, jemand anderes zu sein, und dann nach und nach nicht mehr unterscheiden kann zwischen sich selbst und der Rolle, die er spielt." Der US-Amerikaner bevorzugt gebrochene Charaktere in Welten voller Sex und Gewalt.

Mit diesem Mix wurde Brubaker in der amerikanischen Comicindustrie einer der angesagtesten Szenaristen und 2007 und 2008 als bester Autor mit dem Eisner-Award ausgezeichnet. Aus seiner Feder stammen die Krimi-Reihe "Criminal", in Deutschland von Panini herausgegeben, sowie einige ziemlich erfolgreiche Batman-Abenteuer. Derzeit lässt ihn der Verlag Marvel auf viele seiner wichtigsten Helden los, unter anderem Daredevil, die X-Men und Captain America, den er zur erfolgreichsten Marvel-Heftserie machte. Zuletzt startete Brubaker, wiederum mit Sean Phillips als Zeichner, die Serie "Incognito". Deren Hauptfigur ist ein Schwerverbrecher.

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Das Schaf im Wolfspelz. So sieht das Cover des ersten "Sleeper"-Bandes aus. Band zwei heißt "Die Schlinge zieht sich zu", Band drei "Die Gretchenfrage". -

© Illustration: promo

Bei "Sleeper" holt Brubaker sich seine Vorlagen aus dem Wildstorm-Universum. In wenigen Bildern tauchen etwa die Helden der "Authority" oder der "Wildcats" auf, die bei dem Verlag eigene Serien besitzen. Auch Tao ist keine Erfindung Brubakers. Der Charakter geht auf die Graphic-Novel-Legende Alan Moore zurück, der ihn in den 90er Jahren während seiner eigenen Arbeit an Wildcats einführte. Insofern touchiert Brubaker immer die Grenzen zum Superheldencomic, bricht aber nie ganz in diese andere Welt durch. Die Welt von "Sleeper" ist eine dunklere. Und dennoch – oder gerade deshalb – eine, die vielleicht bald im Licht der Filmprojektoren zu neuem Leben erweckt wird.
 
In Deutschland sind bisher zwei Bände der Sleeper-Reihe, die jeweils sechs Einzelhefte sammeln, bei Cross Cult erschienen. Die Harcoverbände haben jeweils 144 Seiten und kosten 19,80 Euro. Der dritte Band ist für Juni angekündigt.

Matthias Jekosch

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