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© Michael Petersohn / Komödie am Kurfürstendamm

Comicadaption „Münchhausen“ am Schiller Theater : Ananas und Schmetterlinge auf dem Mond

Im Stück „Münchhausen“ der Komödie am Kurfürstendamm, das auf einem Comic von Flix und Bernd Kissel basiert, geht es um das Verhältnis von Ratio, Wahn und Wahrheit.

Lügen haben kurze Beine und lange Nasen. Sie lassen Balken biegen. Und Donald Trump liebt sie fast noch mehr als ein McDonald’s-Menü. Trotz dieser untrüglichen Erkennungsmerkmale besteht ein Problem: Oft fällt es schwer, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden.

Zum Beispiel Erich Bürger. Der Mann wird 1939 auf dem Dach des Buckingham Palace mit einem Messer aufgegriffen. Weswegen der Geheimdienst in ihm einen deutschen Spion vermutet. Bürger beteuert, mit einem Heißluftballon vom Mond gekommen zu sein. Genauer: Von dessen Rückseite, wo faustgroße Erdbeeren, mannshohe Ananasstauden und bunteste Schmetterlingsarten gedeihen.

Der Gefangene versichert im Verhörraum erstens: „Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als Sie sich vorstellen können.“ Und er hat zweitens noch einen Konter parat: „Woher weiß ich, dass Sie mich nicht alle anlügen? Mit Ihrem Gerede, wir schrieben das Jahr 1939. Dass ein verrückter österreichischer Kunstmaler in den Krieg mit der ganzen Welt getreten ist?“ Schwer von der Hand zu weisen. Hört sich regelrecht irre an.

Im Stück „Münchhausen“, das jetzt in der Regie von Andreas Gergen im Schiller Theater als Produktion der Komödie am Kurfürstendamm Premiere gefeiert hat (bis 23. Oktober, außer montags), geht es um das komplexe Verhältnis von Ratio, Wahn und Wahrheit.

Ist das wahr? Hauptsache unterhaltsam!

Der Clou: Es führt den fiktiven Lügenbaron Münchhausen (als der Erich Bürger sich bald vorstellt) mit dem historisch verbürgten Sigmund Freud zusammen. Auf seinem Gebiet ebenfalls eine Koryphäe. Freud, der krebskrank im Londoner Exil lebt, soll den vermeintlich geistesgestörten Mondreisenden auf die Couch legen.

Das Stück basiert auf der Graphic Novel „Münchhausen - Die Wahrheit übers Lügen“ von Bernd Kissel und Flix. Für das Schiller Theater hat nun der Autor Sönke Andresen eine Bühnenfassung geschrieben. Im Bühnenbild von Stephan Prattes - ein Guckkasten mit verspiegelten Seiten und Projektionsrückwand unter Neonröhren, vor dem Freud sein Mobiliar nebst Couch und Perserteppich aufbauen lässt - beginnt die große Analyse.

Ein sehr gutes Ensemble trägt „Münchhausen“: Karina Krawczyk als Geheimdienstchefin, die sich in der heraufdämmernden Kriegszeit behaupten muss, Max Ortner als ihr stummer Assistent, dem die versonnenen Momente gehören, Marcus Ganser, der eine zu Therapiezwecken eingesetzte Stoffpuppe spielt, die in breitem Wienerisch Pointen setzt - sowie Jytte-Merle Böhrnsen und Matthias Freihof in den Hauptrollen.

Böhrnsen gibt ihren Münchhausen mit ungestümer Energie, ein Luftikus, der sich allen Diagnosen entzieht. Freihof hält mit der würdevollen Gebrechlichkeit des Star-Therapeuten in voller Traumdeutungshoheit dagegen - und lässt sich als solcher schließlich von den überschießenden Wunderbohnen-Phantasien mitreißen. Ob’s der Wahrheitsfindung dient? Das ist eher zweitrangig an diesem Abend. Hauptsache, die Geschichten unterhalten.

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