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Der Führer privat. Eine Seite aus dem Comic "Hitler" von 1993.

© aus dem besprochenen Band.

Sammelband: Comicforschung: Alles, was rechts ist

Vom Pop-Faktor der Nazis bis zu Rassismus bei „Tim und Struppi“, von Bildgeschichten zum Holocaust bis zu gezeichneten Propaganda-Strips: Ein neuer Sammelband erforscht die vielen Facetten von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics.

450 Seiten im Großformat - was für ein Batzen! Trotz einiger editorischer Klopse und manchem arg exotischen Beitrag hat Herausgeber Ralf Palandt mit dem Sammelband „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics“ eine wahre Schatzkiste vorgelegt.

Es dauert, bis man sich entscheiden kann, das neugierige Herumstöbern in dem reichhaltig und farbig bebilderten Band zu lassen und zur ernsthaften Lektüre zu schreiten. Diese hat es in sich, es geht um Comics von rechts, Comics aus der Zeit des Faschismus, um rassistische und antisemitische Stereotype in Mainstream-Comics, um Comics gegen Rechtsextremismus.

Viel Raum nimmt die Frage ein, ob Comics zum Beispiel über den Holocaust geeignet sind, im Schulunterricht verwendet zu werden, um Geschichte zu vermitteln und der Entstehung von Rassismus zu begegnen. Bei einem solchen Spektrum sind Überschneidungen unvermeidlich; Art Spiegelmans „Maus“ ist, wenig überraschend, omnipräsent. Zum Teil verwenden die Autoren gar die gleichen Abbildungen, doch leider sind die Beiträge nicht aufeinander bezogen.

Neben weithin Bekanntem wie den jüdischen Quellen der amerikanischen Superhelden,  der Verwendung problematischer Stereotype in Hergés Tim und Struppi und in Asterix, behandeln die überwiegend wissenschaftlichen Beiträge eine Reihe von anspruchsvollen Fragen, z.B. nach der angemessenen Darstellung des Holocaust, nach der Rolle von Comics für die Entstehung kultureller Gedächtnisse, nach dem Pop-Faktor von Nazis.

Es gibt viel zu entdecken, unter anderem zahlreiche Methoden zur Analyse von Comics. Die vielen größeren Auszüge aus Heften und Büchern sind notwendig, denn Einzelbilder reichen zum Verständnis der sequentiellen Kunst nicht aus; leider sind sie nicht immer gut platziert.

Es werden viele nicht im Deutschen vorliegende Werke besprochen, unter anderem weil sich in Deutschland niemand an das Thema Holocaust herantraut. Einerseits ist diese Vielfalt erfreulich, andererseits wird es für Leser, die nicht mit den jeweiligen Sprachen vertraut sind, schwierig, mit den Comicausschnitten, die ja zur Illustration von Argumenten dienen, etwas anzufangen.

Am Ende stellt Jakob F. Dittmar fest, dass „es kein Rezept [gibt], das garantiert, dass ein konkreter Comic gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder Antisemitismus eingesetzt werden kann“. Viel hängt vom Betrachter ab, seinem kulturellen und Bildungshintergrund. Es bedarf der Kompetenzen, aber diese können erworben werden – dieser Band ist mehr als ein erster Schritt dazu.

Ralf Palandt (Hrsg.): Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics. Archiv der Jugendkulturen, 450 Seiten, 36 Euro

Unser Gastautor Dr. Thomas Greven ist Senior Research Fellow am Institut für Internationale Politik, Berlin, und Privatdozent am John-F.-Kennedy-Institut der FU Berlin. Mehr Texte von ihm zu politischen und sozialen Themen im Comic finden sich unter diesem Link.

Thomas Greven

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