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Der Tagesspiegel-Fragebogen (13): 15 Fragen an - Naomi Fearn

Wir haben Comicschaffenden je 15 Fragen gestellt - zu ihrer Arbeit, zu ihren Vorbildern und zur Lage der Comic-Nation. Heute: Naomi Fearn („Zuckerfisch“).

1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?

Ich sehe Standbilder und höre dazu Dialog. Wenn ich dann versuche das ganze auf Papier festzuhalten, stellt sich meist heraus wie ungenau der Dialog in meinem Kopf war, selbst ein Satz mit fünf Worten muss dreimal überarbeitet werden. Wenn die Sprechblasen festgehalten sind kann ich noch einmal über die Bilder nachdenken und interessantere suchen.

2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das? 

Bei der Vorzeichnung versuche ich keine Musik zu hören, da ich mich auf den Bildaufbau konzentrieren will. Beim Tuschen  höre ich gewöhnlich lieber Hörbücher oder Podcasts, damit ich nicht anfange über Steuererklärungen und Abgabetermine zu grübeln. Wenn ich sehr emotionale Dinge zeichne läuft aber nach wie vor Musik, der Stimmung angemessen, in der Hoffnung, dass sich das Gefühl auch in die Zeichnung überträgt.

3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?

Mein Atelierkollege Reinhard Kleist und ich bringen jeweils gerne Tee aus England mit, Kaffee macht mich bei mehr als einer Tasse zu zittrig. Aber wir haben im Atelier die Regel, dass, wer einen blöden Witz macht beim Bäcker den Kaffee kaufen muss. Ich kaufe viel Kaffee. Das Getränk gehört auch zu der romantischen Vorstellung vom eigenen Beruf. Ich mag das Wissen dass an jedem Zeichentisch der Welt ein fleckiger großer Tee- oder Kaffeehumpen steht.

4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?

Ich nehme mal an es ist ein kleinerer Schwelbrand, und kein flammendes Inferno. Ein paar frühe „Doonesbury“-Sammlungen aus den Siebzigern, die ich von meinem Vater habe, einen „Archie“-Band aus der Sammlung meiner Mutter und einige Bände der Hernandez-Brüder, die mir jemand sehr wichtiges geschenkt hat.

5. Welche Zeichner/Autoren waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?

Gary Trudeau („Doonesbury“), Berke Breathed („Bloom County“), Bill Watterson („Calvin & Hobbes“), Vaughn Bode („Cheech Wizard“) und, obwohl man es weniger sieht, Mike Mignola („Hellboy“) und Jamie Hewlett („Tank Girl“)

6. Welches Comic-Buch/Heft/Album würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?

„Daniel & Oleg - Du weißt, ich weiß“ von Olli Ferreira und Rene Roggmann und „Die Zeit und Gott“ von Aike Arndt, da saulustig. Gilbert Hernandez' „Palomar“ Bände, besser als einige sonstige Literatur. Eine Ausgabe „Jazam“ oder „Moga Mobo“, um Leuten ein Gefühl für Comics in Deutschland zu vermitteln.

7. Glauben Sie, dass dem Comic die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er verdient?

Es wird gerade besser.

8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/innen verdienten mehr Aufmerksamkeit als sie sie im Moment haben?

Wie gesagt bekommen gerade Comics und deren Zeichner erfreulicherweise generell mehr Aufmerksamkeit, ich weiß nicht, wem ich's da am meisten wünsche.

9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?

Die international bekannten Zeichner, die einen bekommen sollten haben glaube ich alle schon einen. Er hat zwar noch einiges vor sich, aber ich werde Reinhard Kleist vorschlagen, dann kann er mich öfter zum essen einladen. 

10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?

Die Atmosphäre des „Zuckerfisch“-Comicstrips ist warm und freundlich, zwei der Charaktere sind Kaninchen von denen eines nicht in Worten sondern in Bildern spricht.

11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?

Dem „Zuckerfisch“-Comicstrip für die Stuttgarter Zeitung und Illustrationen für Jugendbücher. Versuche mir lustige Dinge auszudenken für Projekte abseits des Zeichentischs.

12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comiczeichner/-autor zu werden – und wieso würden Sie ihm davon abraten?

Ich würde ihm/ihr dazu raten, weil man Geschichten mit allen Mitteln des Films erzählen kann und dabei die Kontrolle und Hoheit über das Budget behält. Ich würde nur davon abraten in Deutschland allein vom Comiczeichnen leben zu wollen, denn das können nur wenige. Aber zusätzliche Illustration macht ja auch Spaß. 

13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?

Schön und sehr beruhigend. Bis man sie aufschlägt und die Fehler findet.

14. Welche Note hatten Sie im Kunstunterricht?

Eine eins, außer in Kunstgeschichte. Ich schaffte es vier Seiten über Picassos 'Guernica' zu schreiben, ohne auch nur einmal den Krieg zu erwähnen.

15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?

Moderne Autos. Grauenhafte Dinger.

Naomi Fearn, Jahrgang 1976, ist vor allem durch ihren autobiografisch inspirierten Comicstrip Zuckerfisch bekannt geworden, der regelmäßig in der Stuttgarter Zeitung erscheint. Darin geht es um die Erlebnisse der Titelheldin Nomi, ihrer WG-Mitbewohner und eines schwulen weißen Hasen. Die gesammelten Strips erscheinen im Zwerchfell-Verlag. Fearn lebt in Berlin und teilt sich ein Atelier mit Mawil, Fil und Reinhard Kleist. Zur Website der Künstlerin geht es hier.

Die anderen bisher erschienenen Folgen unserer Fragebogen-Serie finden Sie unter diesem Link. 

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