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Dunkle Vergangenheit: Eine Szene aus dem Buch.

© Reprodukt

Graphic Novel: Die Geister von der Stange

Für seine Serienmörder-Trilogie wurde der Autor Peer Meter vielfach gefeiert. „Böse Geister“, seine Kooperation mit der Zeichnerin Gerda Raidt, enttäuscht hingegen.

Erinnerungen sind seltsame Gedächtnisleistungen. Sie konfrontieren einen mit Dingen, die man lieber vergessen wollte und zeichnen oft nur unscharfe Bilder von dem, was man eigentlich noch einmal durchleben möchte. Erinnerungen fördern Gutes zu Tage, aber auch Schlechtes, bisweilen Beiläufiges und Banales. All diese Aspekte spiegeln sich auch in der Erinnerungsgeschichte „Böse Geister“ von Peer Meter und Gerda Raidt wider.

Die Graphic Novel erzählt eine Episode aus dem Leben Harry Wallmanns, der sich als Sechzigjähriger zum Ort seiner Kindheit begibt, seinem Elternhaus. Wie er aus dem Radio erfuhr, soll das ganze Stadtviertel abgerissen werden. Harry will Abschied nehmen, doch seine Reise führt „unversehens in eine dunkle Vergangenheit“, wie der Klappentext verrät. Es ist eine diffuse Erinnerung, aber man ist sich irgendwie sicher diesen Plot in den letzten Jahren schon hundertmal serviert bekommen zu haben; in Romanen, Erzählungen, auch im Comic.

Harry Wallmann, in dessen Elternhaus sich ein Buchladen für Romanhefte und Comics befand, erinnert sich an die Zeit, als er ein junge war und am liebsten Geistergeschichten als „Bilderhefte“ las. Vor allem ein Heft, in dem es heißt, dass man Tote wieder zum Leben erwecken kann, hat es ihm angetan. Als Harrys Vater stirbt, beschließt er den Versuch zu unternehmen ihn wieder zurückzuholen. Was zunächst wie eine durchaus spannende Episode einer Nachkriegskindheit klingt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Story, in der es vor stereotypen Figuren und Situationen nur so wimmelt. Harry Wallmann ist ein blasses Jedermannskind, umgeben von einem obligatorischen Freund, einem gutmütigen Buchhändler, einer redlichen Mutter, einem toten Vater und natürlich einem herrschsüchtigen und jähzornigen Schulleiter, der Comichefte für Schund hält.

Wie wenig diese Story mit ihren schablonenhaften Figuren hergibt, muss insgeheim auch die Zeichnerin gespürt haben, die das Betrachten eines Schaufensters gern über zwei Seiten mit jeweils drei querformatigen Bildern zieht. Sechs Bilder also, die wohl eine Atmosphäre des Erinnerns erzeugen sollen. Leider gelingt das der Geschichte aber so gut wie nie, da man immer ahnt, wie es auf der nächsten Seite weitergeht. Schlimmer noch, die Ahnungen werden immer wahr. Das heimlich in der Schule gelesene Comicheft wird einkassiert und zerrissen. Der Vater, von dem der Leser vorher gar nicht weiß, dass es ihn gibt, stirbt. Die Erweckung des Toten, man weiß es, misslingt.

Gerda Raidts Zeichenstil kann da wenig retten. Dieser ist zwar handwerklich nicht zu beanstanden, verleiht „Böse Geister“ aber ein allzu kindlich-naives Flair, das die blassen Figuren noch fahler erscheinen lässt. Dabei würde die skizzenhafte Ausführung ihres Strichs durchaus zu einer Geschichte passen, die sich vor allem auf Erinnerung stützt. Da die Erinnerungen Harry Wallmanns jedoch so klar sind als wurden sie gerade erst erlebt werden und da auch die Szenen, die in der Gegenwart spielen, seltsam verwischt sind, wurde diese Chance vertan.

Blasse Figuren: Das Buchcover.

© Reprodukt

Die relativ schwache Erscheinung enttäuscht und überrascht zugleich. Peer Meter hatte in der Vergangenheit gleich dreimal bewiesen, dass er durchaus dazu in der Lage ist packende und spannende Szenarien zu schaffen. Zudem hatte er mit David von Bassewitz, Barbara Yelin und Isabel Kreitz für seine Serienmörder-Trilogie um Fritz Haarmann, Karl Denke und Gesche Gottfried kongeniale Zeichner gefunden. Leider konnte mit der neuen Veröffentlichung nicht an das hohe Niveau der Vorgänger angeschlossen werden.

Peer Meter und Gerda Raidt – Böse Geister. Reprodukt, 104 Seiten, 20 Euro

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