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Kalter Krieg. Michael Lark bringt den eisigsten Schnee seit Steve Liebers „Whiteout“ aufs Papier.

© Splitter

Greg Ruckas "Lazarus": Familienduell

In seiner Science-Fiction-Serie "Lazarus" zeigt sich Greg Rucka als begnadeter Weltenbauer und Erzähler. Jetzt ist der vierte Sammelband erschienen.

Johannes 11, 43ff: „Da hoben sie den Stein ab, da der Verstorbene lag. Jesus aber hob seine Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. (…) Da er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Und der Verstorbene kam heraus.“

Bei seiner Sci-Fi-Serie „Lazarus“ zeigt sich der Autor Greg Rucka als streng texttreuer Bibel-Exeget. Der Tod ist nicht das Ende. Sein Lazarus erhebt sich sogar noch, nachdem ihm eine Kugel in seinen Kopf geschossen wurde. Nur, dass Lazarus hier kein Name ist, sondern eine Funktion.

Wir befinden uns in der nahen Zukunft. Die Welt ist nicht mehr aufgeteilt in Nationalstaaten, sondern in Herrschaftsgebiete von 16 ultrareichen Familien. Rucka nimmt also nicht nur die Bibel ernst, sondern auch den jüngsten „Global Wealth Report“, der eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich dokumentiert. Das Ergebnis ist eine brutale Klassengesellschaft, in der zwischen Familienmitgliedern, „Knechten“ und rechtlosem „Abfall“ unterschieden wird. Verteidigt werden die Mächtigen jeweils von einem sogenannten Lazarus – einem genetisch modifizierten Bodyguard.

Ein multinationales Ensemble und durchdesignte Technik

Seit drei Jahren erscheint die 2014 mit dem Eisner-Award ausgezeichnete Serie beim amerikanischen Verlag Image. Auf Deutsch wurde kürzlich der vierte Sammelband bei Splitter veröffentlicht, und inzwischen hat die Chronik der nordamerikanischen Familie Carlyle und ihres weiblichen Lazarus Forever eine beeindruckende Komplexität erreicht. Das gilt nicht nur für das multinationale Ensemble aus den unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft, sondern wirkt hinein bis in die durchdesignten und durchdachten Oberflächen der Kommunikationstechnik.

Schöne neue Welt. Selbst Benutzeroberflächen von Computersystemen wurden für "Lazarus" designt.
Schöne neue Welt. Selbst Benutzeroberflächen von Computersystemen wurden für "Lazarus" designt.

© Splitter

Nachdem im dritten Band („Konklave“) der offene Krieg zwischen Carlyle und Hock ausgebrochen ist, erzählt der aktuelle Band („Gift“) von den Folgen. Natürlich wird dabei viel geschossen und gemordet, aber im Kern ist Ruckas Geschichte doch ein Drama über Loyalität, Suche nach Anerkennung, Totalitarismus und Fragen der Identität. Das ist umso spannender, da die Saga anders als viele vergleichbare Dystopien nicht aus der Sicht moralisch integrer Rebellen, sondern aus der Perspektive der Unterdrücker erzählt wird.

Die Bilder dazu hat Michael Lark erschaffen, der mit Rucka bereits an dem furiosen „Gotham Central“ zusammenarbeitete, und der nicht nur den eisigsten Schneefall seit Steve Liebers „Whiteout“ aufs Papier bringt, sondern mit kantigem Strich treffend den Kontrast einzufangen weiß, zwischen dem, was die Figuren sagen, und dem, was sie denken.

Bei vielen Comic-Autoren ist zu beobachten, dass sie entweder grandios Welten erfinden oder grandios erzählen können. Greg Rucka zeigt mit „Lazarus“, dass er ein Meister auf beiden Gebieten ist.

Greg Rucka & Michael Lark: Lazarus, Splitter, bislang 4 Bände, je 120/144 Seiten, je 19,80/22,80 Euro

Der vierte Sammelband trägt den Namen "Gift".
Der vierte Sammelband trägt den Namen "Gift".

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