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Interview: Mauern aus Papier

Wie erleben Internet-Comicautoren die Dominanz des gedruckten Mainstreams? Ein Interview mit Web-Sondermann Gewinner Johannes „Jojo“ Kretzschmar.

Der diesjährige Sonderman-Preis für den besten internationalen Comic ging kürzlich, wie berichtet, an das Album „Asterix & Obelix feiern Geburtstag“ - so groß war darüber anscheinend die Freude, dass einer der wichtigsten Paradigmenwechsel des Preises sträflich vernachlässigt wurde: Der Web-Sondermann. Während internationale Comicpreise wie die Harvey, die Shuster , die Eisner oder die Ignatz Awards schon länger Webcomiczeichner für ihre Werke auszeichnen, so zeigte sich Deutschland bis vor kurzem eher altmodisch. Asterix & Obelix eben.

Der erste deutsche Webcomic-Preis nach Publikumsentscheid für bisher ungedruckte Comics ging an Johannes „Jojo“ Kretzschmar, der mit viel Witz in seinem Blog Beetlebum über sein Leben und im Webcomic Nerdy Berdy über zeitreisende Nerds schreibt und zeichnet.

Johannes Kretzschmar ist ebenfalls Mit-Herausgeber der Anthologie Panik Elektro 7, die bezeichnenderweise den diesjährigen Fokus auf autobiographische Webcomics gelegt hat, und für das er auch eine Einleitung gezeichnet hat. Auf 19 Seiten stellt Kretzschmar dem Leser sehr vorsichtig, freundlich (und auch sehr gut) Webcomics vor – ein bisschen, als wäre das etwas ganz Verrücktes: Comics. Im Netz.

Leider scheinen solche Bedienungsanleitungen für Webcomics immer noch notwendig in Deutschland. Nicht einmal der erste deutsche Preis für Webcomics generiert genug Aufmerksamkeit, um Sarah Burrini, Johannes Kretzschmar, Ulf Salzmann, Maike Plenzke  oder Arne Schulenberg mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Obwohl längst nicht so bekannt, profitabel und groß wie die internationale Konkurrenz, so werden deutsche Webcomics immer spannender.

Für den Tagesspiegel sprach Dennis Kogel mit Johannes Kretzschmar über den Sondermann, deutsche Webcomics und die Mauern des Print-Mainstreams.  

Inwiefern ist Deutschland noch kein Webcomicland?

Ja, also beim Comic-Salon von vor 2 Jahren waren Webcomics offiziell nicht vertreten. Es waren auch nur vereinzelt Künstler da, die Webcomics gemacht haben und auch ihren eigenen Stand hatten – also zum Beispiel der Flix oder Joscha Sauer von Nichtlustig. Ihre Comics wurden dann aber auch nicht als Webcomics wahrgenommen, sondern nur als Zusatzangebot beziehungsweise in der eben vorgestellten gedruckten Version von Flix‘ Heldentage und Joschas Cartoonbüchern. Das steht in keinem Vergleich zu den USA oder Frankreich, wo Webcomics als eigenes Genre ganze Bereiche auf Messen bekommen. 

Welche Bedeutung hat in dieser Atmosphäre der Web-Sondermann?

Für mich eine sehr große. Einerseits ist das der erste Preis für Webcomics in Deutschland und andererseits ist der Web-Sondermann mit 1000 Euro hoch dotiert, was für junge Künstler sehr wichtig ist. Meines Wissens nach gibt es einen solchen Preis noch nicht einmal in der viel größeren Literaturszene, wie zum Beispiel in der Bloggerszene.

Falls der Web-Sondermann eine Art Anerkennung einer etablierten Szene darstellt, wie ist es dann, aus dem Web in den Print-Mainstream durchzubrechen?

Ja, das würde für mich sehr viel bedeuten. Immerhin ist das immer noch die selbsternannte Königsklasse für Aufmerksamkeit in- und außerhalb der Comicszene. Webcomics werden da ja immer noch etwas ignoriert. Ich hoffe auch, dass der Web-Sondermann es etwas leichter macht, einen Verlag zu finden. Ich versuche jetzt weiter an Nerdy Berdy zu zeichnen, soweit es die Zeit eben zulässt und wenn ich reise, führe ich auch immer ein Comic-Reisetagebuch. Die würde ich gerne in Zukunft veröffentlichen.

Gab es eine Medienreaktion auf den Web-Sondermann?

Nein, meistens wurde ich nur in einer Reihe mit Asterix genannt. Da scheint es eher kein großes Medieninteresse zu geben. Viele Webcomiczeichner und natürlich Leser haben gratuliert, aber sonst gab es da eigentlich nichts. Da fehlt wohl noch etwas öffentliches Interesse an Webcomics.

Gibt es überhaupt so etwas wie eine deutsche Webcomicszene?

Ja, wir sind zwar nicht viele, aber wir sind gut vernetzt. Als Quasi-Blogger habe ich damals angefangen, Blogs und Webcomics in einer Blogroll zu verlinken. So entstand meine ganz persönliche Übersicht aller mir bekannter deutschen Webcomics. Mittlerweile würde das wohl den Rahmen sprengen und andere Webangebote, wie etwa das Webcomic-Verzeichnis, führen eine größere Übersicht aller deutschen Webcomics.

Ist Deutsch als Sprache eine Barriere für einen erfolgreichen Webcomic?

Es gibt einige deutsche Comiczeichner, die eine englische Version des Comics anbieten oder gleich auf Englisch schreiben, aber wenn man nicht gut auf Englisch schreiben kann, dann fehlt etwas. Mir geht es jedenfalls so.

Wie ist die im Stil des Comic-Analytikers Scott McCloud gehaltene Webcomic-erklärende Einleitung im Panik Elektro 7 zu verstehen?

Die Idee enstand dazu während der Ideenfindungsphase von Panik Elektro 7. Wir glaubten, den Stellenwert von Comics nochmal hervorheben und erklären zu müssen. Es ist auch ganz bewusst im Scott-McCloud-Stil gehalten, aber dann aus der Sicht des „kleinen“ oder amateurhaften Comiczeichners, was McCloud ja in „Comics neu erfinden“ eher weniger getan hat und mehr auf die reinen Möglichkeiten von Webcomics eingegangen ist.

Wie druckt man Webcomics? Im Panik Elektro wird mit gedruckten Adressleisten auf die „Web-lichkeit“ der Comics hingewiesen. Ein gutes Modell?

Eigentlich sollte das Layout ja noch viel weiter gehen. Mit Browser und Linklisten und weiterem Technikkrimskrams. Aber da haben wir uns aus Gründen der Übersichtlichkeit dagegen entschieden. Auch im Vorfeld vom Comic-Salon gab es Diskussionen, wie wir denn genau Webcomics drucken wollen: einfach nur ausdrucken oder als PDFs speichern? Bei den Comics von DigiRev im Panik Elektro gab es auch sehr viele Diskussionen, da wurde zwar versucht, den Online-Lesefluss mit Pfeilen nachzubilden, aber das klappt ja nicht so ganz. Ich finde Webcomics sollten in ihrer „natürlichen“ Umgebung gelesen werden, sonst geht einfach zu viel verloren.

Der erwähnte Band 7 der Anthologie Panik Elektro ist beim Verlag bereits vergriffen, es gibt aber über diverse Internet-Händler noch Restexemplare-

Dennis Kogel

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