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Horror im Reihenhaus. Die Bilder sind so minimalistisch wie der Erzähltext.

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Landleben: Zwischen Schlachtbetrieb und Saunaclub

Die Illustratorin Sophia Martineck erzählt in ihrem Buch „Hühner, Porno, Schlägerei“ Geschichten aus Lokalzeitungen in minimalistische Bildergeschichten nach. Entstanden sind deprimierende Miniaturen zwischen Gemütlichkeit und Gewalt – und einige offene Fragen.

Vor einer Disko wird ein Mädchen in den Bauch getreten, eine Kegelmannschaft gewinnt zum zweiten Mal in der Kreisliga, ein Feuerwehrmann zündet eine Scheune an: Alles Geschichten, die das Leben schrieb – und die deutsche Lokalzeitungen aufgeschrieben haben.

Für ihr erstes Buch „Hühner, Porno, Schlägerei – Deutsche Dorfgeschichten“ hat die Berliner Illustratorin Sophia Martineck derartige Begebenheiten gesammelt. Absurdes hat sie dabei gefunden, wie den stillen Nachbarn, den man nie auf dem Dorffest sieht, aber beim Onanieren mit Obst im Internet. Belangloses ist dabei, wie Fahrradtour und Kaffeeklatsch, aber auch reichlich Grausames. Es wird viel gestorben und gemordet in Niederböhna, dem fiktiven Dorf, in das Martineck die Geschichten transferiert.

Erzählt werden die Alltagsdramen mit jeweils wenigen Sätzen und minimalistischen Buntstift-Bilder, die an Malerei vor der Entdeckung des Fluchtpunkts erinnern. Auch erzählerisch ist es ein spartanisches Werk geworden. Es gibt keine Höhepunkte, keine Spannungskurve, nur minimalistische Schnappschüsse, die überall aufgenommen sein könnten. Das ist Programm. „Jedes deutsche Dorf könnte Niederböhna sein“, schreibt die Autorin in ihrem knappen Geleitwort.

Mit dieser Verallgemeinerung des Alltäglichen verleiht die Autorin dem Werk jedoch auch eine Beliebigkeit, die dem Buch den Biss nimmt. Landleben erscheint hier als genau das Klischee, als das man es sich vorstellt: irgendwo zwischen Schlachtbetrieb und Saunaclub und im Kern doch nichts anderes als menschliches, allzu menschliches Einerlei. In Niederböhna ist ein Sack Reis umgefallen. Aha.

Tiere und Tote. Das Cover des besprochenen Bandes.
Tiere und Tote. Das Cover des besprochenen Bandes.

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Damit bleibt offen, was die Autorin mit ihrem Werk eigentlich bezweckt. Für eine nostalgische Erinnerung an die eigene Jugend ist das gezeigte in seiner Spießig- und Hoffnungslosigkeit zu deprimierend. Für einen persönlichen Rachefeldzug nach erfolgreicher Landfluch aber gleichzeitig zu apathisch und mit zu wenig Ekel vorgebracht.

Komplett wird die Verwirrung, wenn die im Vorwort formulierte Prämisse („Alle in diesem Buch geschilderten Ereignisse sind in deutschen Lokalzeitungen nachzulesen oder wurden mündlich überliefert.“) vom Kleingedruckten im Impressum ad absurdum geführt wird. „Ähnlichkeiten mir lebenden Personen, tatsächlichen Orten und Ereignissen sind rein zufällig“, steht da zu lesen. Wie jetzt?

Sophia Martineck: „Hühner, Porno, Schlägerei - Deutsche Dorfgeschichten“, Avant-Verlag, 52 Seiten, 14,95 Euro

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