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Traumatisiert: Die fünfzehnjährige Janna ist die Hauptfigur der Erzählung.

© Illustration: Anike Hage/Tokyopop

Manga: Nach dem Super-GAU

Vor 25 Jahren ereignete sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die Stimmung jener Zeit gibt die Mangazeichnerin Anike Hage in ihrer Umsetzung von Gudrun Pausewangs Anti-Atom-Klassiker „Die Wolke“ wieder.

Es ist das Buch zum Protest: Viele der Menschen, die derzeit vor dem Hintergrund der Ereignisse in Japan wieder gegen die Atompolitik der Bundesregierung protestieren, sind mit Gudrun Pausewangs Katastrophen-Drama „Die Wolke“ aufgewachsen. Etliche von ihnen dürften durch die bedrückende Erzählung einst mit dazu motiviert worden sein, gegen die Atomkraft auf die Straße zu gehen.

1987 erschien das Jugendbuch zum ersten Mal und wurde schnell zum Bestseller. Damals reflektierte die Schilderung der fatalen Folgen eines Nuklearunfalls in einem deutschen Kraftwerk die unmittelbare Betroffenheit und die grenzenlose Angst, mit der große Teile der deutschen Bevölkerung auf den Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr zuvor reagiert hatten. 

Vor einigen Jahren hat sich Anike Hage, 1985 geboren und heute eine der besten Mangazeichnerinnen Deutschlands, des 2006 auch verfilmten Buches angenommen und daraus für den Ravensburger-Verlag eine Comic-Erzählung gemacht, die sich vor allem an ein Teenager-Publikum richtet. Vor kurzem ist „Die Wolke“ als leicht erweitertes Taschenbuch im Tokyopop-Verlag erschienen. Es ist, wie sein Vorbild, packend erzählt und von einer klaren Botschaft beseelt, die ausgerechnet SPD-Chef Sigmar Gabriel im Vorwort des Mangas noch mal auf den Punkt bringt: „Atomkraft, nein Danke“.

Verzweifelte Szenen nach dem verheerenden Unfall

Um diesen Punkt deutlich zu machen, hat Hage bei ihrer zeichnerisch makellosen Umsetzung nicht nur Pausewangs Schilderungen des Super-GAUs, des größten anzunehmenden Unfalls, und der Folgen der radioaktiven Wolke beibehalten, sondern auch deren stellenweise manipulative Erzählweise. So stirbt im Manga wie im Roman der Bruder der jugendlichen Hauptfigur Janna bei einem spektakulären Unfall – der zwar selbst verschuldet ist, aber doch im Kontext der Handlung als indirekte Folge der Nutzung der Kernenergie und ihrer Folgen vermittelt wird.

Schockeffekt: Eine Doppelseite aus dem Buch.
Schockeffekt: Eine Doppelseite aus dem Buch.

© Tokyopop

Zeichnerisch beeindruckt Hage erneut mit einem filigranen, klaren und doch vitalen Stil, in dem sich japanische und europäische Einflüsse zu einer bemerkenswerten eigenen Handschrift verbinden, die auch ihre vielgelobte Teenager-Serie „Gothic Sports“ prägt. Mit feinen Linien, viel Weißflächen und dem gelegentlich Einsatz kräftiger Schwarztöne für dramatischere Szenen gelingt es der Zeichnerin, den Grundkontrast der Handlung auch optisch gut zu vermitteln: hier die unschuldige, harmlose Familienwelt der jugendlichen Hauptfiguren, dort die verzweifelten Szenen, die sich nach dem verheerenden Unfall in einem Atomkraftwerk in den nahelegenenen Ortschaften abspielen.

Mal pathetisch, mal ergreifend

Anschaulich, wenn auch manchmal etwas sehr plakativ und mit einigen etwas zu abrupten Sprüngen, vermittelt Hage, wie nach dem Unfall die Panik unter den Menschen wächst, wie sich jeder aus der Gefahrenzone zu retten versucht und wie es denen ergeht, die nicht rechtzeitig davonkommen und sich später auf den Sonderstationen der Krankenhäuser für Strahlenopfer wiederfinden.

Das ist stellenweise arg pathetisch geschildert, aber in anderen Momenten auch schlicht ergreifend. Und es ist eine gute Gelegenheit gerade für junge Leser, die in diesen Tagen vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben auf eine Anti-Atomkraft-Demo gehen, eine Erzählung kennenzulernen, die schon die Generation ihrer Eltern bewegt hat.

Anike Hage: Die Wolke, nach dem Roman von Gudrun Pausewang, Tokyopop, 176 Seiten, 6,50 Euro. Mehr hier.

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