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Horror als Medium der Zeitkritik: Eine Seite aus „Outcast“.

© Cross Cult

„Outcast“ und „Rachel Rising“: Die Scherben des amerikanischen Traums

Wie die US-Horrorcomic-Serien „Rachel Rising“ und „Outcast“ - von der jetzt eine TV-Adaption auf Deutsch startet - den Zeitgeist der Ära Trump reflektieren.

Ein Teil der amerikanischen Mythologie ist religiös unterfütterte Science-Fiction. Im Superhelden-Comic steht die große, moderne Stadt für die Zukunft. Superman, der freundliche, fliegende Boy Scout, und Batman, der grimmige, traumatisierte Rächer – sie sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Die dunklen, vom Verbrechen regierten Straßen von Gotham City malen das apokalyptische Schreckensbild einer gründlich gescheiterten Utopie, die glitzernden Hochhäuser von Metropolis dagegen künden von einem neuen Jerusalem freier, glücklicher Menschen.

Ein Dämon will die ganze Welt ins Chaos stürzen.

Und das weite Land, die tiefe Provinz? Die kleinen Städte mit ihren braven Bürgern, die ihr Leben noch nach festen Werten ausrichten? Dort gibt es in zwei der besten aktuellen amerikanischen Horror-Serien keinen Ausblick auf ein Morgen, keine Hoffnung darauf, dass sich etwas wenden wird – es sei denn zum noch Schlimmeren. Der American Dream liegt in Scherben, und so zwar gründlich, wie es seit der Vietnam- und Watergate-Ära nicht mehr der Fall war.

„Rachel Rising“, gerade mit dem siebten Band abgeschlossen, spielt in einem Ort mit dem Unheil verkündenden Namen Manson. Rachel, die Titelheldin, wacht eines Morgens in einem Grab im Wald auf. Mühsam wühlt sie sich aus der Erde und taumelt nach Hause. Ein maskierter Mann hat versucht, sie umzubringen – und war dabei erfolgreich: Rachel ist, obwohl sie lebt, in klinischer Hinsicht eine Tote. Verantwortlich für ihre Wiedergeburt ist die Hexe Lilith, die vor 300 Jahren in Manson grausam verfolgt wurde und nun endlich Rache üben will. Ihr Helfer ist der Dämon Malus – aber dieser hat seine eigenen Pläne: Er will gleich die ganze Welt ins Chaos stürzen.

Klinisch tot: eine Seite aus „Rachel Rising“.
Klinisch tot: eine Seite aus „Rachel Rising“.

© Schreiber & Leser

Terry Moore entwirft in „Rachel Rising“ einen hermetisch abgeschotteten Raum, in den von außen nichts eindringt und aus dem es kein Entkommen gibt. Der Schauplatz des Geschehens ist von der Welt so abgeschnitten, als dauerten die Tage der Pilgerväter noch an. In einer Talsenke zwischen dichten Wäldern gelegen, scheint Manson in einer der Zeit enthobenen Blase zu existieren. Das Vergangene will nicht vergehen, die Neigung zu Wahn und Gewalt pflanzt sich ewig fort, und sogar der Tod bedeutet hier mitunter kein Ende, sondern bloß einen neuen, ermüdenden Beginn.

One line jokes und für schwarzen Humor

Dass dieser Comic dennoch nicht völlig düster ist, liegt einerseits daran, dass Moores Hauptfiguren – wie schon in „Strangers in Paradise“, seiner bekanntesten Serie – starke junge Frauen sind, deren erotisches Potential der Zeichner, wenn auch mit kluger Zurückhaltung, immer wieder in Szene setzt. Andererseits bleibt bei allem Schrecken Platz für one line jokes und für schwarzen Humor, vor allem im Zusammenhang mit der speziellen körperlichen Befindlichkeit, die Sterben und Auferstehen für Rachel und ihre davon ebenfalls betroffene Freundin Jet mit sich bringen.

Abgeschlossen: Das Cover des siebten und letzten Bandes von „Rachel Rising“.
Abgeschlossen: Das Cover des siebten und letzten Bandes von „Rachel Rising“.

© Schreiber & Leser

Ganz ohne comic relief geht es dagegen in „Outcast“ zu, geschrieben von Robert Kirkman („The Walking Dead“) und gezeichnet von Paul Azaceta. Im Zentrum steht Kyle Barnes, ein gebrochener Mann. Vor ein paar Jahren soll er seine Frau und seine kleine Tochter misshandelt haben; seitdem ist sein Leben, das schon von einer schwierigen Kindheit mit einer alleinerziehenden, gestörten Mutter geprägt war, völlig aus dem Ruder gelaufen. In seine Heimatstadt in Virginia zurückgekehrt, entdeckt er allerdings, dass er über eine besondere Gabe verfügt, die er erst nach und nach begreift: Er kann Geister austreiben – und deren Auftreten häuft sich in seinem Umfeld plötzlich in erschreckender Weise. Zusammen mit einem grüblerischen Priester, der zunehmend an Gott zweifelt, nimmt Kyle den Kampf gegen das Böse auf.

„Outcast“ startet als Fernsehserie jetzt auch auf Deutsch

Blättert man „Outcast“ flüchtig durch, hat man nicht unbedingt den Eindruck, eine Horror-Story in der Hand zu halten. Die Zeichnungen von Paul Azaceta sind betont realistisch, und die ausgezeichnete Kolorierung von Elizabeth Breitweiser, in der Blau-, Grün- und Brauntöne dominieren, verleiht allem einen Crime-Noir-Touch. Im Vergleich zu „The Walking Dead“ hält Robert Kirkman sich mit Szenen exzessiver Gewalt zurück; die Wirkung des Comics beruht weniger auf Schockeffekten als auf der Schaffung einer durchgängig beklemmenden Atmosphäre. In „Outcast“ ist es später Herbst, letzte Blätter fallen von den Bäumen, und beim Lesen taucht man ein in die frühe Dunkelheit; man spürt förmlich, wie einem die Kälte in den Körper kriecht.

Fortsetzung folgt: Das Cover des dritten Bandes von „Outcast“.
Fortsetzung folgt: Das Cover des dritten Bandes von „Outcast“.

© Cross Cult

Wie in den Filmen George A. Romeros („Night oft the Living Dead“) ist der Horror in dieser Serie kein Selbstzweck, sondern ein Medium der Zeitkritik. Die Geister, von denen die Menschen geplagt werden, sind unschwer als Chiffren der erheblichen materiellen Nöte zu erkennen, mit denen alle zu kämpfen haben. Keiner kann unbeschwert leben; das Abrutschen ins Prekariat droht oder hat bereits stattgefunden. Schäbige Holzhäuser, klapprige Autos und Billig-Supermärkte, heruntergekommene Farmen, Altersarmut und Angst vor Arbeitslosigkeit – das Amerika, in das „Outcast“ führt, gehört unserer unmittelbaren Gegenwart an: Es ist das Amerika der sozial Abgestiegenen, die sich, voll Wut und Verzweiflung, in die Arme Donald Trumps werfen.

Terry Moore: Rachel Rising, insgesamt 7 Bände, Schreiber & Leser, je 128 Seiten, je 14, 95 Euro.
Robert Kirkman und Paul Azaceta: Outcast, bislang 3 Bände, Cross Cult, je 160 Seiten , je 22 Euro.

Die Fernseh-Adaption von „Outcast“ wird auf Deutsch ab de 31.1. auf ZDF neo gezeigt, mehr dazu hier.

Christoph Haas

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